Das gute/helle Viertel

Rita kreuzte entschlossen, aber langsam die Arme vor ihrer Brust.

>> Mein Top bleibt, wo es ist. <<
beharrte sie bockig.


Es war ohnehin schon unglaublich herabwürdigend, dass
sie hier mit heruntergelassener Hose stehen musste.

Bei der nächstbesten Gelegenheit würde sie auch dieses Problem
aus der Welt schaffen.

Adeline griff wieder nach der Schere.

"Magst du das Top auch so sehr?"

Rita sah die Schere mit geweiteten, erschrocken Augen an.

>> Addy, komm schon.
Ich habe nichts unter dem Top!! <<
fuhr sie Adeline gestresst an.

>> Du kannst doch nicht ernsthaft so einen heftigen
Drang haben, mich auszuziehen! <<


Ihr Blick glitt zur Tür.

"Die Schulter hattest du ja schon",
merkte Adeline an.

"Wer weiß, was du da noch versteckst?"

>> Nichts, dass du nicht schon gesehen hast. <<
meinte Rita leise.

Bei dem Gedanken daran, was vorgefallen war,
musste sie schlucken und darum kämpfen, nicht rot zu werden.

Vorsichtig packte sie ihr Top und zog es bis unter den BH hoch,
sodass Adeline einen Blick auf ihren Bauch hatte.

>> Siehst du?
Nichts. <<

Adeline streckte einmal die Hand aus und drückte einmal auf jede Brust
(wenn sie es nicht zeigen wollte, musste sie eben anders prüfen!), dann
ging sie einmal um Rita herum und tat das Gleiche mit ihrem Rücken.

Rita keuchte auf, als Adeline sie bedrückte.

>> Was soll das denn jetzt?! <<
brauste sie auf.

Als Adeline inspizierend um sie herum ging, verstand
sie den Zweck und beruhigte sich etwas.

Sie musste innerlich lächeln bei dem Gedanken, dass
Adeline sich tatsächlich die Mühe gab, sie genauer zu inspizieren.

Auffällig war nichts.

Dann glitten Adelines Hände von hinten wieder nach vorn, erneut
auf Ritas Brüste.

"Sicher, dass da nichts ist?", fragte sie unschuldig, während sie
an ihnen herumdrückte.

Rita sog scharf Luft ein und versteifte sich.

>> Addy! <<
hisste sie vorwurfsvoll und umfasste ihre Handgelenke.

>> Da.. da ist nichts!
W-was sollte da denn schon sein?! <<

Adeline grinste unberührt zurück.

"Ich weiß nicht - sag du es mir!"

Rita zischte und schob Adelines Hände weg.


>> Eben nichts! Lass es. <<
grollte sie.

Diese Spiele und Berührungen machten sie wahnsinnig.

"Aber wenn das die zwei größten waren, muss da noch was sein",
stellte Adeline fest und trat wieder vor Rita.

"Sag's mir!"

Rita überlegte und zeigte ihr ihre Arme.


Einige kleine Wunden, sich allmähliche verfärbende Flecken und
Schürfwunden waren zu sehen.

>> Hier. Und... <<

Sie deutete auf ihre Beine.

>> Da. Und das war's.

Ich lüge nicht mit jedem Wort, das aus meinem Mund kommt. <<
versicherte sie.

"Wenn du Sachen weglässt, sind das auch Lügen",
erkärte Adeline ihr ernst.

"Aber für's Erste, okay. Telefon?"

Rita sah bei dem letzten Wort auf wie ein Kind, wenn
man "Süßigkeiten" sagte.

>> Ja, das wäre großartig. <<
meinte sie enthusiastisch.

"Gut, dann komm!"

Adeline packte Rita, zog sie hoch und brachte sie zurück ins Wohnzimmer.

Rita grummelte leise.

Es klang so ähnlich wie "Kann auch selbst sowas."

Sie ließ sich von Adeline zurück in das Wohnzimmer führen.

Ein Glück, dass Adeline nun doch eingelenkt hatte.




Meriel saß auf ihrer Bettkante.
Georgia lag unter einer Decke auf dem Bett und stöhnte leise
unter Schmerzen und Missfallen.

Lola hatte auf einem nahestehenden Stuhl Platz genommen und beobachtete
Georgia besorgt, während Avelyn schweigend neben ihr stand.

>> Wie sollen wir ihr helfen? Ich kann hier nicht sitzen und warten. <<
meinte Lola verzweifelt.

Meriel sah zu Georgia.

>> Ihr könnt ihr nicht helfen.
Noch nicht. Sie muss selbst aus der Tiefe kommen.

Dieser Fluch versucht, ihr Bewusstsein zu unterdrücken und wahrscheinlich
im weiteren Verlauf dann zu töten.
Aber ihr habt mir erzählt, dass sie euch am Ende nicht mehr angegriffen habt.

Das deutet auf einen inneren Kampf hin. 
Sie muss es schaffen, sich zu uns durchzuschlagen. Dann können wir ihr helfen. <<
erklärte Meriel leise.

Lola seufzte verzweifelt.


Plötzlich klopfte es an der Tür.

Meriel stand sofort auf und ging zu ihr.
Vorsichtig legte sie die Hand an die Tür.

>> Meriel, wir sind es. <<
drang Tayas Stimme durch die Tür.

Meriel öffnete langsam die Tür.

Taya begrüßte sie mit einem kleinen und kurzen Lächeln.

Hinter ihr waren Mila und Caro, die Alex von beiden Seiten stützten.

Meriel ließ sie reinkommen.

>> Was ist passiert? <<

Sie sah Alex besorgt an.

Alex war völlig blass und blutverschmiert. Kein Anflug von der sonst so
typischen Fröhlichkeit war an ihrer Erscheinung zu finden.

Taya kam in das Schlafzimmer, während Caro Meriel kurz erklärte, was passiert war.

>> Wir haben Mila gefunden. Sie war von Alex getrennt worden durch einen gezielten
Schlag gegen den Hinterkopf.
Alex konnten wir nicht finden, weshalb wir uns erneut aufgeteilt haben.

Nach einiger Zeit war uns Alex entgegengekommen. Rita hat ihr rausgeholfen,
ist aber nicht mehr mit ihr zurückgekommen. <<


Taya sah zu Lola, Lyash und Avelyn. Dann zu Georgia.

>> Wie geht es ihr? <<

Lola schüttelte den Kopf.
>> Nicht besser. Sie hat Probleme, sich aus der Kontrolle zu befreien.
Was ist mit Mila und Alex? <<

Taya sah auf die Bettkante.
>> Sie sind beide wohlbehalten hier.

Warum ist es uns nicht aufgefallen?
Dass es doch seltsam war...

Wieso sollte jemand Georgia in Alex' Zimmer, durch Alex'
Bild entführen?
Wieso auf diese Weise? <<

Lola und Avelyn schwiegen.
Beiden waren diese Zweifel schon gekommen.
Doch die Situation war zu stressig gewesen, um weitere
Gedanken dazu zu formen.


>> Das eigentliche Ziel war Alex selbst.
Und um ein Haar hätten sie uns dermaßen reingelegt, dass
sie bekommen hätten, was sie wollten. <<
knurrte Taya wütend und enttäuscht.

Alex setzte sich derweil auf das Sofa.

Caro beugte sich zu Meriel.
>> Sie spricht nicht mit uns. Ich glaube, sie steht unter Schock. <<
flüsterte sie.

Meriel sah Alex an und setzte sich neben sie.
>> Was ist passiert, Alex? <<
fragte sie sanft und warm wie nur eine Nymphe es konnte.

Alex atmete tief ein.

>> Sie wollten mein Blut.
Sie hätten mich ausgeleert. <<
meinte sie leise.

Caro und Mila sahen sie geschockt an.

>> Da war ein Wesen, das mein Blut raussaugen wollte.
Ich weiß nicht, ob es wirklich ein Vampir war.

Da war noch eine andere Bellavia.

Plötzlich war Rita da.

Sie stand einfach hinter uns und brach ihm das Genick.
Einfach so.


Ich weiß nicht genau, wie es weiterging.
Ich glaube, sie haben gekämpft.

Dann hat Rita mich mitgezogen.

Ich habe Schüsse gehört. Es sah aus als hätten sie Rita getroffen.

Ich weiß es nicht mehr.

Sie hat mich in einen Gang geschubst und ich bin weitergerannt.

Bis ich auf die anderen gestoßen bin. <<

Sie brach ab.

>> Wieso wollten sie das tun? <<
fragte sie ins Leere.

Adeline schob sie wieder auf das Sofa.

"Bin gleich wieder da!", versicherte sie ihr und verschwand.
Für einen Moment kehrte sie noch einmal zurück.
"Bleib ja da!"

Rita hob die Hände kurz an.
Als Symbol, dass sie nichts tun würde.

Verwirrt blieb sie sitzen und dachte darüber nach, warum Adelyn kein
Telefon im Wohnzimmer hatte.

Irgendwann ließ sie sich in das Sofa sinken und schloss die Augen.

Heute hatte sie eine Menge Mist angerichtet und nicht nachgedacht.

Das würde sie teuer zu stehen kommen.
Noch wusste sie nicht recht, welche Konsequenzen sich daraus ergeben würden.

Aber sie war sich sicher, dass sie ihre Freunde beschützen würde.
Selbst über ihre eigene Leiche.

Immerhin hatte sie höchstwahrscheinlich durch ihr unüberlegtes Handeln,
dadurch, dass sie Taya und am Ende sogar Alex geholfen hatte, eine weitere
große Gefahr über ihre Gruppe gebracht.

Rita seufzte.
Du blöde Kuh...

Adeline spähte um die Ecke, das Telefon in der Hand, und fragte sich,
ob Rita wohl bald einschlafen würde.

Rita öffnete die Augen wieder und sah auf ihre Kleidung.

Sie sahen katastrophal aus.

Sie würde schnell nach Hause kommen müssen und sich umziehen,
bevor der Tag kommen würde.

Und...

wo blieb Adeline?!

Sie konnte ihr Telefon doch nicht in einen Safe im Keller eingesperrt haben!

Rita rutschte wieder etwas hoch.

Adeline war enttäuscht.
Anscheinend wollte Rita lieber telefonieren als schlafen.

Sie betrat den Raum wieder.
"Rita! Telefon für dich!", flötete sie.

Rita sah erleichtert auf und setzte sich gerade hin.

>> Großartig!

Danke. <<

Adeline reichte ihr das Telefon und setzte sich zu ihr.

Rita wählte eine Nummer und wartete.

"Hallo?"
meldete sich eine weibliche Stimme.
Es war Felicia.

>> Hallo, Felicia.
Ich bin es. Rita. <<
begrüßte Rita sie.

"Ah! Ritaleinchen! Wo treibst du dich denn rum?!
Wir sind schon krank vor Sorge!"
meinte Felicia vorwurfsvoll


"Und betrunken!"
kam eine schwache Stimme aus dem Hintergrund.

Rita lächelte amüsiert.

>> Mir geht es gut.
Was ist mit Grace und Raphael?
Sind sie gut angekommen? <<

"Ja, ja! Wir hatten hier etwas Aufregung und Chaos,
aber das erzählen wir dir, wenn du wieder da bist.
Auf jeden Fall geht es ihnen gut und sie schlafen jetzt.

Du wirst uns Rede und Antwort stehen müssen, meine Liebe.
Die beiden sahen schlimm aus.

Und ich wette, du siehst schrecklich aus.

Rita rollte die Augen.
>> Nein, so schlimm ist es auch wieder nicht.

Ich wurde gut verarztet. <<
meinte sie knapp.

"Wo bist du denn??"

>> Das ist nicht wichtig.
Ich komme bald zurück. <<

Schweigen auf der anderen Leitung.

"Bist du etwa bei Adeline?"
fragte Felicia amüsiert.

>> Nein! <<
Rita keuchte auf.

"Ah, du BIST bei Adeline! Dachte ich es mir doch, dass
sie dir den Verstand durchgemischt hat.

Sie muss ja echt hart rangegangen sein.

Ich hoffe, ihr übertreibt es nicht. Du bist bestimmt verletzt!!

Rita spannte den Unterkiefer an.

>> Felicia, hör auf, so einen Mist zu erzählen!

Ja, ich bin bei ihr.
Sie hat mir bei meinen Wunden geholfen.

Mir geht es jetzt gut und ich komme nach Hause.
Aber wenn du weitermachst, wirst du bald diejenige sein,
die verarztet werden muss!<<
knurrte Rita angenervt.

"Ja, ja. Ist ja schon gut, Tigerchen.
Viel Spaß noch.
Vielleicht kommst du ja noch bei ihr runter.

Hehe. Entschuldige.

Wie auch immer.
Gut zu wissen, dass es dir gut geht.

Und wir sehen uns dann.
Es wird Einiges zu klären geben."

Rita nickte.

>> Ja, bis dann. <<

Sie legte auf und seufzte.

"Du gehst nach Hause?", fragte Adeline.

"Ich bringe dich hin!"

>> Oh, das ist nicht nötig. <<
beteuerte Rita sofort.

>> Es ist schon dunkel!

Es wäre nicht gut, wenn du dich noch rauswagst. <<
meinte sie kopfschüttelnd.

"Du bist verletzt. Du solltest noch viel weniger raus."

Adeline stand auf und verschränkte die Arme.

"Entweder bleibst du hier oder ich komme mit."

Rita sah sie missmutig an.

Schonwieder diese Diskussionen.

>> Es-ist-spät. <<
betonte sie.

>> Ich bin in rauen Verhältnissen aufgewachsen, daher
macht das überhaupt nichts.

Außerdem hast du schon genug getan für mich.
Ich will dich nicht weiter belästigen.

Du willst bestimmt schlafen. <<

"Nein, ich will mitkommen. Lerne, damit zu leben."

Adeline schnappte sich ihre Jacke.