Krankenflügel

Auch diese Schule besitzt einen Krankenflügel mit mehreren
Krankenzimmern, Forschungsräumen und Lagerstätten für Kräuter,
Medizin und allerlei anderem.

Verwirrt wurde Rinoa wach.

Sie wusste nicht, wo sie war und wie sie hierher gekommen war.

Ben war gerade in einem anderen Bereich des Raumes beschäftigt.

Er wandte ihr den Rücken zu und rechnete wohl nicht damit, dass
sie gerade in diesem Moment aufwachte.

Als Rinoa ihn sah, zeichnete sich kurz Wut auf ihrem Gesicht ab.

ER hatte sie bewusstlos geschlagen!!
So ein Mistkerl!

Doch dann fiel ihr auf, dass sie in einem Krankenzimmer lag und ihre
Gesichtsausdruck wurde wieder verwirrt.

Wieso hatte er sie dann hierher gebracht?

Sie beschloss, zu schweigen.

Im Augenblick hatte sie keine Lust und keine Kraft zu weiteren
Streitereien mit Ben.

Schließlich drehte sich Ben wieder um.

"Ah, du bist wach", stellte er fest.
Weder sein Gesicht noch seine Stimme drückten etwas anderes als Neutralität aus.

"Wie fühlst du dich?"

Rinoa schwieg kurz.


>> Es geht. <<

Sie musste sich einen weiteren Kommentar verkneifen.

Ben nickte kurz und wandte sich wieder anderen Dingen zu.
Hier hatte er immerhin Besseres zu tun, als sich mit Riona zu streiten.

Und es würde Ärger geben, wenn er es tat.

>> Du hast tatsächlich Moral. <<
meinte Rinoa beeindruckt.

Für einen Moment stockte Ben, dann machte er weiter mit
dem, was er auch zuvor getan hatte.

"Ach ja, das habe ich ja ganz vergessen...
Für dich ist ja Moral etwas Komisches, was die Nachbarn
betreiben und von dem man sich möglichst fern halten
sollte..."

So ganz konnte er seine Abneigung gegen sie doch nicht
verbergen, wie man merkte.

Rinoa lächelte.

>> Ja, wie recht du nur hast. <<
meinte Rinoa.

>> Moral zu haben, ist in meiner Kultur verdammt gefährlich.
Also schätz dich glücklich, dass du nicht flüchten musstest, um
Moral besitzen zu können. <<

Danach schwieg Rinoa wieder.

Ben hatte durchaus immer noch Zweifel an der angeblichen 'Moral',
die sie hatte oder haben wollte.
Doch er war vorausschauend genug, um nichts zu sagen und einem
weiteren Streit vorzubeugen.

Rinoa beobachtete ihn etwas.

Er hasste sie.
Aber er war auch so ein Sturrkopf und unausstehlich!

Sie würden sich wahrscheinlich nie vertragen....

Plötzlich fiel ihr etwas auf.
Ihr Amulett!
Es war weg!!

Panisch sah sie sich um.
Ohne das Schutzamulett würden die anderen sie finden.
Und dann blühte ihr eine schlimme Strafe...

Möglichst ruhig sah sie wieder zu Ben.
Er sollte ihre Panik und Schwäche nicht sehen.
>> Hast du mein Amulett gesehen? <<

Verwirrt drehte sich Ben um.

"Von was für einem Amulett redest du?"

Er konnte sich nicht daran erinnern, eines
gesehen zu haben. Was war denn so
besonders daran?

>> Es muss mir hier irgendwo runtergefallen sein.

Es sieht aus wie eine runde, steinerne Scheibe mit
Inschriften und kleinen grünen Steinchen. <<
beschrieb Rinoa ihr Amulett und setzte sich auf den
Bettrand.

Ihr Kopf tat so weh...

Ben hielt sie nicht auf, obwohl er sich recht sicher war, dass sie noch nicht aufstehen sollte.

Doch das war nicht sein Problem - sie würde außerdem sowieso nicht auf ihn hören.

"Noch nie gesehen. Soll ich dir beim Suchdn helfen?", fragte er sie.
Denn trotz seiner Abneigung gegen sie war er der Grund dafür, dass sie hier war und ihr...
was auch immer es war verloren hatte.

>> Willst du das oder tust du das, weil deine Moral dich
dazu zwingt? <<
fragte Rinoa mit einem müden Lächeln.

Da sie die zweite Wahrscheinlichkeit für hundertprozentig
wahrscheinlich hielt, stand sie ohne ein weiteres Wort auf.

Ihr war noch etwas schwindelig, aber das würde sie nicht
davon abhalten, ihr Amulett aufzuspüren.

Sie MUSSTE es wiederhaben. So schnell wie möglich!
Sonst waren sie bald hier und würden ihr den Hintern
aufreißen.
Auf die eine und die andere Art...

Sie hatte als junges Mädchen zufällig mitbekommen, wie Rebellinnen
bestraft wurden.
Beim bloßen Gedanken daran erschauderte Rinoa.

"Ist das so wichtig?", grummelte Ben. Er wollte ihr helfen und sie beschwerte
sich deshalb. Na ja, da sollte sie sehen, was sie davon hatte. Jetzt würde er
ihr bestimmt nicht mehr helfen.

Aber er hatte das Gefühl, wenn sie ihn fragte, würde er nicht nein sagen
können. Das spielte allerdings wahrscheinlich keine Rolle - er konnte sich nicht
vorstellen, dass sie es tun würde.

Er verstand sowieso nicht, was an diesem Amulett so wichtig war, dass sie wie
wild umherlief...

>> Ich werde dich nicht nerven damit, versprochen.
Ich bin auch garnicht hier, um mich in einen sinnlosen Streit mit dir
zu verwickeln, so wie in alten Zeiten.

...
danke für deine Hilfe. <<
Diese Worte kostete sie eine so große Überwindung, dass sie gleich darauf,
so schnell sie konnte, den Raum verließ.

Ihm zu danken, war so als würde sie sich eine Hand abschneiden...

Das hatte gesessen.

Benn starrte ihr erst einmal sprachlos nach Zum Glück hielt er gerade nichts
in der Hand - es wäre ihm eindeutig hinuntergefallen.

Schließlich hatte er sich wieder weit genug gefasst, dass er wieder denken
und sich bewegen konnte.
Grummelnd verließ er den Raum, um Rinoa bei der Suche zu helfen.