Das Reichenviertel der Stadt

>> In meinem Zuhause gab es keine Fremden.
Und sie wollten einem auch nichts antun. <<
wandte Derdekia seufzend ein.

>> Ich wusste es einfach nicht. <<

Leonora seufzte.

Námo schüttelte den Kopf.

"Engel", meinte er nur.
Dabei ignorierte er die Tatsache, dass er selbst einer war.

Derdekia lachte.

>> Ja, du sagst es, mein Lieber.
Das sind zwei verschiedene Welten, deren
Unterschiedlichkeit mir erst allmählich klar wird. <<

"Merkt man. Merkt man deutlich",
war Námos einziger Kommentar dazu.

>> Willst du mich ärgern? <<
fragte Derdekia amüsiert.

>> Wow, du hast seinen grimmigen Sarkasmus erkannt! <<
freute Leonora sich.

"Du machst Fortschritte",
stellte auch Námo fest.

Es war zwar nur relativ langsam, wenn man bedachte,
dass sie sich schon länger kannten, aber...

Derdekia seufzte.

>> Naja.. eigentlich erkenne ich es schon sehr oft.
Aber ich glaube, mein Kopf will es nicht ganz verarbeiten.
Es ist so unglaublich schwer, sich daran zu gewöhnen. <<

Nachdenklich blickte Námo sie an.

"Weißt du...das kann ich verstehen.
So wenig Platz, wie du da oben für
Gedanken hast..."

Er grinste.

Derdekia sprang gespielt empört auf.

>> Willst du etwa behaupten, ich hätte zu wenig
Grips?!
Willst du das wirklich behaupten?! <<
provozierte sie ihn und kam ihm ganz nah.


Leonora lachte innerlich und setzte sich zu Genika auf das Bett.

Hatten die beiden denn vergessen, dass sie nicht ganz bekleidet waren?

Derdekia war das wahrscheinlich herzlichst egal.
Sie war vollkommen in Einem mit ihrem Körper.

Aber Námo?

Námo grinste und beugte sich ein weiteres Stück
zu ihr hinüber.

"Und wenn ich das behaupte? Was willst du dagegen
machen?", fragte er im gleichen Tonfall.

>> Dich mit meiner Intelligenz in den Boden rammen! <<
konterte Derdekia und sah ihm selbstsicher in die Augen.


>> Meinst du, sie werden sich jetzt wirklich bekämpfen? <<
fragte Genika verwirrt.

Námo blickte spöttisch zurück.

"Das würde ich gerne mal sehen wollen."

Ein kalter Luftzug strich über Derdekias Haut.

Derdekia zuckte ganz leicht zusammen.

>> Das wirst du noch! <<
versprach sie.

"Oh, jetzt habe ich Angst!"

Námo fürchtete sich nicht im Geringsten.
Aber langsam bekam er das Gefühl, dass er
wirklich ein wenig zu gemein wurde.

Bei Gelegenheit würde er der Versuchung,
Derdekias Rock hochzuwehen, als Entschuldigung
wenigstens einmal widerstehen.

>> Und das solltest du auch! <<
meinte Derdekia amüsiert, der sein Sarkasmus nicht
entgangen war und sah ihn mit einem frechen Aufblitzen in
den Augen an.

Dann stellte sie sich wieder normal und nicht aufstachelnd hin und
lächelte.

>> Spielen wir jetzt? <<

Frech grinste Námo sie an.

"Aber immer doch..."

Es klopfte an der Tür.


Leonora sah alarmiert auf und stand schon in der nächsten Sekunde an der
Tür.

Sie öffnete sie nur bis zu einem kleinen Spalt, damit die Person auf der anderen Seite nicht
reinsehen konnte und blickte durch.

Es war ihre Mutter.
>> Leo, mein Schatz. Ich habe euch etwas zu Naschen gemacht, damit ihr
mir nicht verhungert. <<
meinte sie lächelnd.

Leonora sah sie etwas perplex an.
>> Danke, Mama. Ähm.. du kannst es mir geben. <<


Derdekia setzte sich währenddessen neben Genika auf das Bett und lauschte.

>> Du hast ja kaum etwas an, Leo!
Probiert ihr da drinne neue Dinge aus? <<

>> Nein, Mama, so ist das nicht!
Wir haben nur etwas härteren Poker gespielt.
Keine weiteren Spielchen. <<

>> Natüürlich. Ich weiß doch, dass du eine verspielte und
neugierige Natur hast, mein Schatz.
Du und deine Freundinnen spielt doch auch immer. <<
meinte die Mutter mit einem zweideutigen Unterton.

Leonora seufzte angenervt auf.
>> Wir spielen nicht "solche" Spiele, Mama! <<

>> Natürlich nicht, mein Schatz.
Aber nur für den Fall.
Bedenkt auch immer die Konsequenzen. <<

Derdekia konnte schon in der Stimme den eindeutigen, dringlichen
Blick von Leonoras Mutter sehen.

>> Ja, Mama!
Und nein, wir werden schon keine schlimmen Experimente machen. <<
knurrte Leonora, der die ganze Situation sichtlich unangenehm war.

Námo hörte aus dem Zimmer zu.

Auf seinem Gesicht breitete sich langsam ein Grinsen aus.
Es wurde immer breiter, bis es drohte, sein Gesicht zu
sprengen.

Arme Leonora, mit dieser Mutter...

Damit konnte er sie sicherlich gut aufziehen.

>> Naja, viel Spaß, ihr wilden Kinder. <<
grinste Leonoras Mutter.


Leonora sah sie kopfschüttelnd an.
>> Wie kannst du mir das nur antun? <<

Ihre Mutter drückte ihr vergnügt den Teller mit dem Essen in die
Arme.
>> Ich liebe diese Unerwäsche übrigens. <<
flüsterte sie fröhlich.

>> Dass du mir damit keine Jungen aufreißt. <<

Mit einem Zwinkern verschwand sie wieder.

Leonora schloss langsamer als nötig die Tür.
Sie wollte nicht in die Gesichter der Anderen blicken.

Langsam trat Námo an sie heran, breit grinsend.

"Sie hat Recht, deine Unterwäsche ist wirklich toll",
meinte er in einem Tonfall, der für einen Engel
eindeutig nicht einmal ansatzweise passend war.

Leonora sah ihn warnend an.

>> Als ob dich sowas interessieren würde. <<
meinte sie nur und stellte dann das Essen auf den Tisch.

>> Oh, Engel können auch Schönheit bewundern. <<
kam es von Derdekia.

"Da hat sie Recht."

Námo musterte Leonora genauestens.
Es wirkte so, als würde er jeden Quadratzentimeter
Haut mit seinem Blick abtasten.

Er wunderte sich, wann sie anfangen würde, sich
unwohl zu fühlen.

Leonora warf ihm einen giftigen Blick zu.

Was sollte das jetzt?!

Derdekia musterte die Szene.

>> Was versucht er da? <<
fragte sie Genika.

>> Ich weiß es nicht.
Ich glaube, er starrt Leonora an. <<

Dass Genika das nicht gefiel, war klar.

Als Leonora ihn anblickte, grinste Námo.

"Was ist denn, Leo?", fragte er ganz unschuldig.
"Stört dich etwas?"

>> Du sollst mich nicht anstarren. <<
beschwerte Leonora sich.

Es war ihr tatsächlich unangenehm.

Derdekia legte den Kopf auf ihre Hand und betrachtete die
Szene interessiert.

"Wieso?", fragte Námo.
"Schämst du dich etwa?
Du hast doch vorgeschlagen, Strippoker zu spielen..."

Leonora seufzte.

>> Das Gedränge kam aber...
ach egal, ich muss mich nicht vor dir rechtfertigen!<<

Wütend stemmte sie die Hände in die Hüften.

Námo lachte.

Es war wirklich zu einfach, Leonora zu nerven!

Vielleicht machte es ihm ein wenig zu viel Spaß...
aber was sollte das schon bedeuten?

Leonora seufzte.

>> Du bist unmöglich.

Da fällt mir auch gleich eine Frage an Derdekia ein! <<

Derdekia zuckte zusammen.
>> Ich?! <<

>> Ja, du! <<

> Wahrheit oder Pflicht?
Ich weiß, was du vorziehst.
Die Wahrheit. <<

>> Ja... genau.
Woher..? Naja, gut.. ich weiß schon Bescheid. <<

>> Können Engel soetwas wie Lust oder Begierde empfinden? <<
fragte Leonora sie und sah sie dabei ganz genau an.

Derdekia fiel aus allen Wolken.
>> Ähm.. also... <<

Darüber hatte sie noch garnicht nachgedacht!

Schnell verbarg Námo sein Grinsen.

Sie hatte Derdekia soeben völlig überfordert.
Das sah man nicht oft!