Das Reichenviertel der Stadt

Derdekia nahm es widerwillig in die Hand.

>> Und was sagt man bei Telefonstreichen? <<

An dieser Stelle musste Námo (innerlich - also wirklich! Als ob er
das laut tun würde...) zugeben, dass er das nicht wirklich wusste.

"Genika, du hast ihr die Aufgabe gegeben", wälzte er die Aufgabe
schnell auf seinen Schützling ab.

Genika zog kurz eine Augenbraue hoch.

>> Na gut. Also... <<

>> Du rufst jemanden an und sagst ihm, wie verrückt du nach ihm
bist, so als wärt ihr zusammen und du würdest vor Begierde sterben.
Du musst dabei schön verlangend reden. Ach, und sowas sagen wie:
Wenn ich dich gleich finde, werde ich schlimme Dinge mit dir anstellen. <<
schnitt ihr Leonora frech ins Wort.

Genika hatte garnicht vor, es so fies zu machen, aber das
klang auch gut.
Sogar ziemlich herausfordernd, da Derdekias Augen sich mit jedem
Wort Leonoras weiteten und ihre Wangen einen leichten Rotton bekamen.

>> A-aber.. <<

"Kein 'aber'", mischte sich Námo ein.

Die Gelegenheit war zu gut, um sie vorübergehen
zu lassen!

Er wollte wirklich gerne sehen, wie Derdekia so
etwas tat!

Derdekia schloss den Mund und sah gequält drein.

Leonora lächelte schadenfreudig.

>> Und wen soll sie anrufen? <<
fragte Genika.

"Gute Frage..."

Námo überlegte.

"Wie wäre es mit Kaloyan...oder Kilian?"

Beim zweiten Namen grinste er breit.
Hochnäsige Engelsfratze...

Derdekia sah ihn warnend an.

Genika war verwirrt.
>> Wer ist Kilian? <<

"Ein Schüler hier an der Schule. Relativ neu",
fasste Námo kurz zusammen.

Er hatte keine Lust, vom nudistischen Engel
zu erzählen.
Der war auch so nervig genug.

>> Gut, dann ruft Derdekia ihn an.
Und du musst auf Lautsprecher stellen, sodass wir alle
die Reaktion des Schülers hören können! <<

Leonora suchte kurz in dem Schülerverzeichnis an ihrem Laptop und
diktierte Derdekia dann die Nummer.

>> Wenn es unbedingt sein muss... <<
murmelte Derdekia und rief dann an.

Námo grinste vorfreudig.



Nach dem zweiten Klingeln hob Kilian ab.

"Hallo?"

Er wirkte ein wenig verschlafen.

Derdekia atmete kurz tief ein.

>> Hallo, mein Süßer.
Du weißt, wieso ich anrufe. <<
schnurrte Derdekia ins Telefon.

Leonora und Genika mussten sich verzweifelt davon abhalten,
nicht laut loszulachen und verbargen die Gesichter schon im Bett.

>> Ich will dich. Jetzt. Du hast mich schon zu lange warten lassen. <<

Stille in der Leitung.

Dann:
"Hast du dich vielleicht verwählt?"

Derdekia sah mehr als gequält aus.

>> Oh nein, mein Herzblatt.
Liegst du gerade im Bett? <<


Genika weinte schon fast, so anstrengend war es,
nicht zu lachen.

Námo hielt die Luft an und war sich sicher, dass er
sich inzwischen eine oder zwei Rippen angebrochen
hatte bei dem Versuch, nicht loszulachen.




"Derdekia, hat dich Námo zu diesem Anruf angestiftet?"

Derdekia wurde tiefrot.

Woher wusste er das?

>> Was?! <<

Leonora sah neugierig auf.

Jetzt konnte Námo nicht mehr an sich halten und prustete los.




"Ah. Ich sehe schon, so ist es", stellte Kilian am anderen Ende
der Leitung fest.
"Sag ihm doch bitte, dass das kindisch, unvernünftig und eines
Engels nicht würdig ist, ja?"

Derdekia war völlig vor den Kopf gestoßen.

>> Ja, das kann er sogar hören. <<


Leonora lachte in das Bett hinein.

Das hier nahm ja absurde Maße ein!

"Richte es ihm bitte trotzdem aus, damit er es nicht...
vergisst.
Gute Nacht."




Langsam beruhigte sich Námo wieder und rang nach
Luft.

>> Gute Nacht... <<

Derdekia legte auf.

>> Was war das denn? <<
war ihre erste Frage dazu.

Námo atmete noch ein paar Mal tief ein, um nicht akut zu
ersticken, dann konnte er wieder sprechen.

"Wir sind schon ein-, zweimal aneinandergeraten", erklärte
er dann.

Wie auch nicht, mit diesem aufgeblasenen Pinkel...

Leonora grinste.

>> Er hat dich einfach erkannt, Derdekia.

Ich meine. Wer kennt nicht Derdekia, die alle gern im
Bett besucht. <<

Genika lachte.

Das war ein zu toller Anblick gewesen!

Breit grinsend nickte Námo.

Derdekias Vorstellung war wirklich gut gewesen.

Und dass Kilian auch diese unheimliche Fähigkeit
hatte, Personen mit hoher Wahrscheinlichkeit
einfach zu erkennen...
Ugh.

>> Bestimmt freut sich der Kerl auf deinen nächtlichen,
ach so begierigen Besuch. <<
stichelte Leonora fröhlich weiter.

Derdekia sah sie schmunzelnd an.
>> Als ob! <<

Námo prustete wieder los.

"Als ob", stimmte er Derdekia zu.

Dieser Gedanke war zu seltsam, um ihn
weiterzuverfolgen.

>> Wieso seid ihr aneinander geraten? <<
wollte Derdekia wissen, nachdem sie sich wieder beruhigt
hatte.

Námo zuckte mit den Schultern.

"Er hat sich über mein Verhalten beschwert und ich
mich über seins.
Ach ja, und ich hab ihm Juckpulver in die Unterhose
getan."

Leo grinste.

Das klang übel und lustig zugleich.

>> Also Námo.
Sowas Fieses macht man doch nicht. <<
meinte Derdekia seufzend.

"Er hat's halt verdient."

Für Námo war die Sache klar: Wenn es jemand verdient
hatte, war es in Ordnung, ihm Juckpulver in die Unterhose
zu kippen.

Und es war ja nicht so, als hätte Kilian etwas dagegen gehabt,
sich in der Öffentlichkeit auszuziehen.

>> Soso. <<
meinte Derdekia nur dazu.

Dann drehte sie amüsiert die Flasche.

Wieder einmal wartete Námo gespannt, wer
dieses Mal drankommen würde.