Die Medietra-Wälder

Das Land Medietra besteht nur aus einem einzigen riesigen und düsteren
Wald.

Es ist meistens dunkel dort, und es gibt oft tückische Fallen und gefährliche Tiere.
Man kann sich sehr schnell verlaufen.

Das Land liegt ziemlich genau in der Mitte zwischen Benigner und Nigras.

Langsam ritt Ianus durch den Wald.

Es war ein wenig zu spät - oder zu früh -, das zu tun, doch
er machte sich Sorgen um Bahamut.

Wer wusste denn schon, was diese Hexe mit ihm anstellen
würde?

Maeve stand auf einer kleinen Lichtung inmitten des Waldes und murmelte
leise Worte vor sich hin, während sie ein leuchtendes Symbol unter sich
auf den Boden streute.

Sie hoffte, dass der Zauber ihr helfen konnte.

Nach dem heutigen Tag brauchte sie dringend eine Mauer.

Ianus bemerkte das schwache Licht.
Ein wenig wunderte er sich, was dort geschah.

Wer (außer ihm) war um diese Uhrzeit im Wald
unterwegs?

Und es musste ein Jemand sein - während seiner
Reisen durch diesen Wald (die zugegebenermaßen
hauptsächlich in der Zeit stattgefunden hatten, seit
Bahamut in Nigras war und dementsprechend nicht
sein ganzes Leben umfassten) war er noch nie einer
leuchtenden Kreatur begegnet.

Neugierig geworden stieg er vom Pferd und ging weiter
in die Richtung des Lichtes, wobei er das Tier hinter
sich herführte.

Maeve versuchte gerade, den leuchtenden Kreis im Zaum zu halten,
damit sie reinspringen konnte.

Doch der Zauber entglitt ihrer Kontrolle.
Der Kreis zog sich plötzlich zusammen und wurde zu einem leuchtenden
Punkt.

Maeve stand erschrocken da.

>> Oh nein! <<

Der Punkt flammte plötzlich auf und schnellte in ihre Richtung.

Maeve schrie voller Entsetzen auf und wich mit einem Hechtsprung aus.

Doch der schiefgelaufene Zauber hatte es auf sie abgesehen und flog mit einer
scharfen Kurve wieder auf sie zu.

Maeve rappelte sich panisch auf und umklammerte ihren Stab beim Rennen.
Mit einem Blick über ihre Schulter stellte sie fest, dass die Lichtflamme ihr gefährlich
nahe kam.

Verzweifelt steigerte sie ihr Tempo und hob ihren Stab, um den Zauber zu zerstören.

Als sie sich sicher war, dass sie wusste, wie man das tat, stoppte sie und drehte sich
in diesem Moment zu einem Schlag in die Richtung der Flamme.

Der Stab traf direkt im Schwung auf die Flamme und eine kleine Explosion zerfetzte
die Lichtflamme und schleuderte Maeve zwei Meter weiter weg.

Sie landete mit einem dumpfen Aufschlag auf dem Rücken und wieder kehrte
die Dunkelheit über der Lichtung zurück.

Schwer atmend blieb Maeve auf dem Boden liegen und verfluchte sich lauthals.

Mitten in diesem Fluchregen erreichte Ianus die Lichtung.
Aus der Entfernung hatte er bereits ein munteres Lichtspiel
gesehen und fragte sich nun, was das zu bedeuten gehabt
hatte.

Dann musterte er die fluchende Person, so gut er es in der
Dunkelheit konnte, und riss überrascht die Augen auf.

Das war doch das Mädchen, das mit der anderen Hexe
zusammen unterwegs gewesen war!
Was tat sie hier?

Maeve seufzte und setzte sich langsam auf.

Ihr Brustkorb tat leicht weh von dem Aufprall.

>> Es scheint nicht zu klappen oder ich bin zu ungeschickt. <<
gestand sie sich schließlich ein und blickte in den Himmel.

Die Sterne glitzerten so hell, dass sie Maeves Blick fesselten.

Fasziniert ließ sie sich wieder auf den Rücken sinken und beobachtete
die Sterne.

Wie es wohl war, sich einen Stern vom Himmel zu holen?

Ianus betrachtete sie noch für einen weiteren Moment.

Als er sich sicher war, dass sie keine Gefahr darstellte,
trat er auf die Lichtung.
Alleine würde er im Notfall mit ihr klarkommen, und er
wollte nicht, dass sie von Monstern überfallen wurde.

Auch wenn sie etwas mit Bahas Problem zu tun hatte.

"Was war das gerade eben?", fragte er.

Maeve schoß erschrocken in die Höhe und sah zu Ianus rüber.

Die Hand lag alarmiert auf ihrem Stab.

Sie erkannte ihn sofort.

>> Du? <<
fragte sie perplex.

Ianus lächelte.

"Ich. So sieht man sich wieder.
Also, was war das gerade eben?"

Maeve sah kurz auf die Lichtung.

>> Ein fehlgeschlagener Zauber war das.
Das alltägliche Chaos einer Hexe eben. <<
meinte sie und lächelte zu Ianus hoch.

Ianus war positiv überrascht, wie viel umgänglicher sie war.

"Aha."

Verletzt schien sie immerhin nicht zu sein. Er fragte sich, was
das für ein Zauber gewesen war, behielt das aber für sich.

Stattdessen fragte er sich nun, ob er sie guten Gewissens
alleine lassen konnte, nach einem fehlgeschlagenen Zauber,
der wer weß was angerichtet haben konnte.

Maeve musterte ihn wieder so eingehend wie sie es
bei ihrem ersten, etwas unvorteilhafteren Treffen getan hatte.

>> Ianus heißt du, richtig? <<
fragte sie.

Er sollte ihr jetzt auf keinen Fall abhauen!

"Das stimmt", bestätigte er.

"Und wie war dein Name?"

Er war sich nicht sicher, ob er ihn vergessen hatte oder gar
nicht erst gehört.
Aber eine richtige Vorstellung hatten sie ohnehin nicht gehabt.

Maeve richtete sich auf und strich ihre Kleidung zurecht.

>> Maeve ist mein Name.
Ich hoffe, wir können uns jetzt auf etwas besserer Basis kennenlernen. <<
meinte sie mit einem schiefen Lächeln und streckte die Hand aus.

Ianus beschloss, anzunehmen, dass in ihrer Hand keine
unangenehmen Überraschungen versteckt waren, und
ergriff sie.

"Natürlich - solange du entscheidest, mich nicht
anzugreifen."

Maeve überlegte kurz und lächelte dann.

>> Solange du mich nicht angreifst. <<

Sie schüttelte seine Hand und versuchte zu verbergen, dass sie
fast wie Butter in seiner Hand zerschmolz.

Trotzdem kam der Händedruck Ianus ein wenig seltsam vor.
Allerdings ignorierte er das.

"Keine Sorge, das passiert eher nicht."

Sie ließ seine Hand los.


>> Willst du dich setzen oder hast du dringende Geschäfte zu erledigen? <<

Für einen kurzen Moment zögerte Ianus, dann setzte er sich zu ihr.

Bahamut würde schon keine Probleme haben, nicht so spät. Oder
so früh - je nach dem, ob der nächste Tag schon begonnen hatte.

"Also, was war das für ein fehlgeschlagener Zauber?", fragte er dann.

Maeve presste die Lippen zusammen und überlegte.

Ob es schlau war, das zu sagen?

>> Mit diesem Zauber versucht man, Gefühle zu beeinflussen.

Du weißt schon... schwarze Magie. Das ist, was ich beherrsche. <<
erklärte sie ihm.

Ianus versuchte, das Verziehen seines Gesichtes zu unterdrücken.
Schwarze Magie...Nigras eben.

"Und wessen Gefühle wolltest du beeinflussen?", fragte er dann.

Maeve sah seufzend auf ihre Hände.

>> Meine. <<

Ianus runzelte die Stirn. Wer benutzte Magie, um
seine eigenen Gefühle zu beeinflussen?

"Was wolltest du erreichen?", fragte er verrwirrt.

Maeve schien noch mehr in sich zu schrumpfen.

>> Dass ich unpassende Gefühlsverirrungen vermeide und
keine Dummheiten mache. <<
erklärte sie.

Hoffentlich reichte ihm diese oberflächliche Ansicht.

>> Du und dieser Junge... Bahoumut? Oder Baha...
Egal. Ihr seid sehr enge Freunde, oder? <<
wechselte sie das Thema.

"Ja, aber..."

Ianus versuchte noch immer, diesen Grund zu verstehen.

"Warum brauchst du Magie dazu?"

Maeve sah ihn lange, intensiv und schweigend an.

Blickte ihm ganz tief in die Augen.

Dann schien sie abwesend zu sein und runzelte die Stirn.

>> Weil ich es alleine nicht schaffe. <<
stellte sie dann seufzend fest.

Ein wenig besorgt runzelte Ianus die Stirn.

"Worum geht es denn?",
fragte er sie dann.

Jetzt wurde Maeve rot.

>> Wirklich. Es ist nicht so wichtig.

Das ist...Mädchenkram!
Zu viel Gefühlsduselei.

Unwichtig! <<

Sie gestikulierte dabei wild mit ihren Händen.

Ianus Gesichtsausdruck zeigte sehr deutlich, was er davon
hielt, seine eigenen Gefühle mit Magie zu beeinflussen, doch
er machte keine weiteren Kommentare.

Dennoch verstand er es nicht im Geringsten.