Das gute/helle Viertel

>> Du bist so ein gottverdammter Sturkopf! <<
herrschte Rita sie angenervt an.

Aber sie wusste, dass eben dieser gottverdammte Sturkopf sich nicht umlenken lassen würde.

Also hob sie ergeben die Hände und seufzte auf.

Langsam hob sie sich von dem Sofa und folgte Adeline.

>> Dir macht das echt Spaß, was? <<
grummelte sie.

Diese Frage ließ Adeline unbeantwortet.

"Irgendjemand muss doch auf dich aufpassen."

>> Tss. <<
meinte Rita dazu nur.

Bei diesen Worten hatten sich ihre Gedärme beinahe zusammengezogen.

Sie wusste sehrwohl auf sich aufzupassen.

Sie spürte den pulsierenden Schmerz beim Gehen.

Ihr inneres Ich klatschte sich die Hand gegen die Stirn.

Ja, du kannst ja wunderbar auf dich aufpassen!

Rita zischte nun sogar in ihren Gedanken.

Schweigend gingen sie durch die Straßen.

Adeline war froh, dass Rita nicht völlig dagegen gewesen war,
von ihr begleitet zu werden.

Nun, gut, das war sie doch gewesen, aber nicht so sehr, dass
es sie etwas anging.

Sie kamen bei dem Haus an.

Nur noch unten leuchtete Licht.

Rita holte ihre Schlüssel raus und öffnete die Tür.

Sofort streckten Felicia und Vi den Kopf aus dem Wohnzimmer in den Flur.

>> Ah, Rita! Du bist endlich da! <<

Felicia sah erfreut aus und kam sogleich in den Flur.
Da bemerkte sie Adeline und strahlte noch mehr.

>> Addy! Wie schön, dass du auch da bist!
Willst du etwas trinken?
Kakao? Kaffee, Tee? Wein? <<

Vi kam ruhig rein und musterte erst einmal eingehend Ritas Kleidung.
Mit einem kurzen "Hallo." begrüßte sie die beiden.

"Kakao wäre nett", antwortete Addy fröhlich.

"Hallo", wandte sie sich dann an Vi. "Fehlt euch zufällig noch jemand?"

Felicia nickte und ging in die Küche.


Vi lächelte.

>> Ja, einen unkontrollierter Sturm aus Fleich und Blut.
Aber ich sehe, dass du sie uns vorbeigebracht hast.
Danke dafür! <<

Rita warf ihr eine Grimasse zu.

>> Willst du dich ins Wohnzimmer setzen? <<

>> Du musst auch nicht zurück!
Es ist so dunkel, da lasse ich dich ungern wieder raus! <<
rief Felicia aus der Küche.

>> Nein, ich glaube kaum, dass Adeline noch länger bleiben will. <<
rief Rita in die Küche.

"Doch, ich muss doch meinen Bruder besuchen!",
rief Addy hinterher.

So einfach würde sie sich nicht rauswerfen lassen!

Vi lächelte amüsiert.

>> Er schläft schon. <<
meinte sie.

Rita zuckte mit der Schulter.

>> Wie schade.
Du wirst ihn wohl erst morgen besuchen können.. <<

Felicia kam mit einem Kakao aus der Küche.

>> Warum steht ihr noch im Gang?
Im Wohnzimmer ist es viel gemütlicher! <<

Sie ging voran, mit Addys Kakao in der Hand.

Addy folgte ihr fröhlich.
"Da muss ich jetzt wohl hierbleiben, bis er wieder aufwacht.
Nachts ist es ja so gefährlich draußen..."

Felicia stimmte ihr zu.

>> Wie Recht du doch hast!

Wir sind immer offen für dich. <<
frohlockte sie.

Ritas Blick folgte den beiden gequält.

Vi schmunzelte und legte einen Arm um Rita.
>> Mach' es nicht so hart für dich.
Willst du einen Tee? <<

Rita schwieg recht lang.

>> Ja, gerne. <<
meinte sie schließlich und ging mit Vi in das Wohnzimmer,
wo die ältere Bellavia sie stehen ließ und in die Küche ging.

Rita setzte sich auf das Sofa, um aufzupassen, dass Felicia eigener
Wahnsinn nicht schonwieder ausartete.

Addy setzte sich gut gelaunt neben Rita.

"Es freut mich wirklich, dass ihr euch jetzt um Raphi kümmert",
meinte sie.

Rita sah sie kurz mit einer Mischung aus Verwirrung und Überraschung an.

>> Wie kommst du denn darauf? <<

"Ach, er muss sich doch so schrecklich fühlen, als der einzige Junge hier!",
erklärte Addy ihr.
"Aber zum Glück seid ihr so nette Mädchen!"

>> Er schlägt sich wirklich gut. <<
meinte Felicia lächelnd.

>> Ja, es ist schwer. Weil Mädchen bekanntlich sehr kompliziert
und dramatisch sind. Aber Raphael hat diesen Gefühlskrieg bis
jetzt unversehrt überstanden. <<
versicherte sie.

Vi lächelte amüsiert.

>> Er hat sich eine gute Defensivposition aufgebaut. <<

"Ach, wirklich?", fragte Addy interessiert.
"Ist es die 'ihr seid alle hübsch, streitet euch nicht'-Position?"

Felicia lachte.

>> Nein, ich glaube nicht. <<

Rita lächelte amüsiert.

>> Es ist eher die "Ich beobachte gruppendynamische Prozesse
und lasse sie wirken und verwirken"-Position mit leichtem "Lenke ich
mal ein bisschen diesen Östrogensturm in sicheres Terrain"-Zusatz.
Dein Bruder ist schlau und hält sich wirklich verdammt gut raus. <<

Addy grinste breit und nickte.

"Ja, er ist toll, nicht wahr? Aber natürlich ist er das -
ich bin ja immerhin seine große Schwester!"

Rita seufzte.

Da war es wieder.

Dieses unendliche Selbstbewusstsein!

>> Mit zum Glück anderen Strategien. <<
kommentierte Rita das zynisch.

Felicia hob die Augenbrauen.

Zwischen den beiden schien es immer noch heftig zu brodeln.

Rita war wirklich auf Krawall gebürstet.

"Ach, ich weiß nicht. Alle seine kleinen Tricks hat er von mir."

Addy grinste breit.

"Ich habe eben einfach mehr."

>> Woher kennst du so viele Tricks? <<
fragte Felicia sie interessiert.

Rita verzog schweigend den Mund.

"Lebenserfahrung. Kommt mit der Zeit!"

Addy grinste fröhlich.

>> Was hast du gemacht, um so viel Erfahrung angesammelt zu haben!

So viel älter als wir kannst du nicht sein! <<
meinte Felicia überrascht und etwas neidisch.


>> Ich rate mal, dass du nur 20 Jahre alt bist. <<

>> Ich würde ja eher 12 sagen. <<
mischte Rita sich amüsiert ein.

Vi lachte leise.

"Ich habe gelebt. Versucht's auch mal",
schlug Addy munter vor.

"Ihr glaubt nicht, was das für einen Unterschied macht!"

Felicia lachte.

>> Oh, wir leben sehr.

Naja, einige mehr, andere weniger. <<

Sie sah zu Rita.

>> Aber wir sind ja oft etwas durch das Kämpfen und
Erhalten unseres Lebens abgelenkt. <<

Addy winkte ab.

"Lasst euch davon nicht ablenken. Dann kommt ihr nie zu was!
Ihr könnt auch währenddessen leben! Schließlich ist es schwer,
etwas zu retten, was gar nicht da ist, nicht wahr?"

Felicia schwieg.

>> Wo du Recht hast... <<
meinte sie leise.

Rita verdrehte die Augen.

>> Danke, aber wir haben auch unsere eigenen Präferenzen und Hobbies.
Es ist nicht so als würden wir nur rumsitzen und auf den nächsten Kampf
warten. <<
hisste sie angenervt.

>> Was verstehst du denn unter "leben"? <<
fragte sie Addy sichtlich offensiv.

"Na, leben eben! Was sonst?
Was verstehst du denn unter leben?"

Addy sah sie verständnislos an.

>> Das machen, was man will unter anderem.

Deswegen frage ich mich, was du machst, um zu leben. <<


>> Also ich kenne da so einige Sachen... <<
fing Felicia mit einem amüsierten Lächeln an.

Rita seufzte.
>> Nach deiner großartigen Erfahrung mit Männern habe ich nicht gefragt. <<
unterbrach sie Felicia.

Felicia hob die Hände.

>> Aber das gehört nunmal zum Leben!
Auch einmal verletzlich zu sein, sich auf Ungewisses einlassen.
Gefühle durchleben, die man nicht kannte. <<

"'Leben' ist das Gegenteil von 'vor sich hinvegetieren'",
teilte Addy ihnen weise mit und nickte wichtigtuerisch.