Eropan - das Land der Darvenswölfe

Dieses Land grenzt an ein Meer, welches von einer Schlucht umgeben ist.
Um die Schlucht herum befindet sich eine Graslandschaft.

Bis auf diese zwei Ausnahmen ist das Land
nur mit einem Wald bedeckt, welcher viele Tücken birgt.

Titus saß nach einem kleinen Jagdausflug erneut in der Höhle,
dieses Mal mit seiner Beute über dem Feuer.

Er hätte sie auch in seiner Wolfsgestalt fressen können, doch
er hatte einen 'Gast'. Für sie sollte auch noch etwas übrig
bleiben.

Erneut sah er zu ihr hinüber. War sie noch immer bewusstlos?

Das war nichtmehr der Fall, denn Anouk kam zu sich.

Doch, als sie merkte, dass sie nicht in gewohnter Umgebung war,
tat sie so, als wäre sie noch bewusstlos und versuchte, durch Lauschen
und Schnüffeln aus ihrer Umgebung und ihrer Situation schlau zu werden.


Ihre Hände spürten Steine und nur wenig Erde.

Sie musste in einer Höhle sein. Und allein war sie auch nicht.
Denn sie hörte Titus.

"Guten Morgen", begrüßte Titus sie.
Dann, nach einem kurzen Blick nach draußen,
berichtigte er sich: "Na ja, gute Nacht."

Anouk runzelte die Stirn.

Er hatte also doch bemerkt, dass sie wach war.

Ganz langsam öffnete sie die Augen und sog sofort jedes Detail der Umgebung ein,
bis...

Der Schmerz traf sie wie ein Hammerschlag.

Anouk keuchte auf und fasste sich den Kopf.

Woher kam dieser Schmerz aufeinmal?
Sie versuchte sich zu erinnern, doch genau das war das Problem.

Bis zu ihrem Spaziergang wusste sie alles. Doch dann?
Gähnende Leere.

Dann verstand sie es plötzlich.
Sie wurde betäubt und entführt!

Von dem Mann oder Jungen, der sie begrüßt hatte.

Vorsichtig sah sie zu Titus, mit leichter Angst in den Augen.

Titus war von ihrem Blick nicht sonderlich begeistert, doch er
würde nehmen, was er bekommen konnte.

"Du schnarchst", informierte er sie.

Anouk sah ihn erst irritiert an.

Doch dann überlegte sie kurz, was das hieß.

Sie schien kurzzeitig eine bockige Miene aufzusetzen.

Doch dann erinnerte sie sich, was hier los war.

In ihrer gebrochenen Version der offiziellen Sprache fragte sie.

>> Wieso.. hast du ... <<
Ihr entfiel das Wort.

>> Entführt? <<

Titus zuckte mit den Schultern.

"Ich wollte ein bisschen Gesellschaft."

Dann wies er auf das inzwischen fertig
zubereitete Fleisch.

"Hast du Hunger?"

Anouk schwieg kurz.

Sie wagte es nicht, Titus lange anzusehen.

Dann nickte sie zögerlich.
Es roch noch nach diesem Betäubungsmittel.

Das ließ ihre Anspannung wieder etwas steigen.

Ob das der einzige Grund gewesen war?
Er hätte doch einfach mit ihr reden können.

Aber sie gleich zu entführen? War das nicht etwas.. drastisch?

Titus ignorierte ihre Anspannung, stand auf und
brachte ihr ein Stück Fleisch.

Für sich selbst hatte er auch eines dabei und
setzte sich neben sie, um es zu essen.

Anouk nickte dankbar.

Sie war es nicht gewohnt, viel bei männlichen Werwölfen zu reden,
deshalb aß sie das Stück Fleisch mit leichtem Zögern.

Erst dann merkte sie, wie hungrig sie wirklich gewesen war und
biss gieriger in das Fleisch.

Während Titus ebenfalls aß, stellte er fest, dass er bei
seiner neuen Gesellschaft doch mit mehr Unterhaltung
gerechnet hatte.

Sie war wirklich sehr still. Lag das daran, dass sie ihm
nicht vertraute oder war sie immer so?

"Wie heißt du eigentlich?", fragte er plötzlich.
Es war wohl nicht gut, den Namen seines Gastes nicht
zu kennen.

>> Anouk. <<
antwortete sie ihm sogleich auf die Frage.

Dann überlegte sie kurz.

>> Wie heißt du? <<
fragte sie ihn dann.

"Titus", stellte er sich vor.

"Willst du noch mehr?", fragte er und wies auf
das schon beinahe verschwundene Fleisch.

Anouk überlegte und nickte dann zögerlich.

Es schadete nicht, ein bisschen mehr zu essen.

Sie hatte oft zu wenig zum Essen.

Titus steckte noch schnell den Rest seines eigenen Stückes in
den Mund und stand dann auf, um zwei weitere Stücke zu holen.

Das eine davon gab er wieder Anouk.

Sie lächelte leicht und aß dieses nun etwas langsamer, während
sie Titus verstohlen von der Seite musterte.

Titus hielt nichts von Verstohlenheit und sah sie direkt an.

Als er bemerkte, dass sie ihn musterte, fixierte er ihre Augen.

Anouk wurde sofort rot und senkte in Windeseile den Blick.

Verlegen und unsicher zupfte sie etwas an ihrer Kleidung.

Titus musterte sie weiterhin.

Machte er sie wirklich so nervös?

Anouk spürte seinen Blick.

Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen.

In all diesen Jahren durfte sie es sowieso nie.

Kurz blickte Titus auf den Boden, um sicherzustellen, dass dort nichts
Besorgniserregendes herumlag, dann richtete er die Augen wieder auf
Anouk.

"Was ist da so faszinierend?", fragte er sie verständnislos.

>> N-nichts. <<
gab Anouk ihm stotternd zur Antwort.

>> Ich.. nicht blicken viel in anderer Augen. <<
versuchte sie, ihm zu erklären.

Einen Moment lang stolperte Titus über ihren Satz,
bis er verstand, was sie meinte.

"Du schaust anderen Leuten nicht oft in die Augen?",
fragte er, um sicherzugehen.
"...warum nicht?"

Das verstand er nicht.

>> So habe ich es gelernt.

Immer... in.. <<

Sie überlegte angestrengt und runzelte dabei die Stirn.

>> Demut? <<

Titus schnaubte.

"Du kannst Leuten ruhig in die Augen sehen.
Sonst wirkst du schwach."

Anouk seufzte.

Natürlich war sie schwach.
Es war schon ein Teil von ihr.

Was sollte man sonst sein, wenn man als einziges Mädchen
in einem brutalen Rudel aufwuchs?

Dienen oder sterben...

Anouk beließ es bei einem bloßen Nicken.

Titus runzelte die Stirn.

"Schau mich an",
befahl er ihr dann.

Anouk richtete langsam den Kopf auf und blickte zögerlich in seine Richtung.

Dann blickte sie in seine Augen.

Man merkte ihr deutlich an, dass es unangenehm war für sie.

Doch Titus war für's Erste zufrieden mit ihrem Fortschritt.

"Geht doch", stellte er fest und widmete sich dann seinem
Fleisch, das noch immer gänzlich unberührt war.