Die Medietra-Wälder

Tyrinia schwieg wieder.

Sie war ittiert von dem plötzlichen Drang, das Schweigen zwischen ihnen
zu füllen.

Sie lehnte den Kopf seufzend gegen die Höhlenwand.

Neben ihr rutschte Riyad in eine etwas bequemere Position.

Wie durch Zufall kam seine Hand teilweise auf ihrer zum Liegen.
Sie war angenehm warm.

Alles in Tyrinia zuckte kurz zusammen.

Äußerlich schien sie nur noch mehr einzufrieren.


Obwohl sie sich sehr verdient als erfahren in dem Umgang mit Körperkontakt
und Liebeleien bezeichnen würde, versetzte es ihr Chaos in ein noch chaotischeres Chaos.

Sie fühlte sich wie ein pubertierendes Mädchen. Schreckliches Gefühl!

Andererseits war es angenehm, so etwas wie eine freundliche Berührung zu spüren.
Deshalb - und natürlich nur deshalb - ließ sie Riyads Hand auf ihrer - so wie sie war.

Riyad schien Tyrinias Reaktion nicht zu bemerken.

Die Betonung lag auf schien - die Reaktion wurde analysiert,
ausgewertet und das Ergebnis in seiner geistigen Kartei abgelegt.

Nun wartete er darauf, dass sie weitersprach.

Doch sie tat es nicht.

Sie blickte einfach weiter schweigend in die Dunkelheit.


Die Stille hatte mit dem leisen, friedlichen Atmen von Nekir und Selin
sogar etwas Wohliges an sich.

Riyad dachte darüber nach, die Stille zu durchbrechen,
tat es dann aber doch nicht.

Wenn sie nicht reden wollte, konnte er sie - ohne Gewalt,
Magie oder einen anderen Zwang - auch nicht dazu zwingen.

Tyrinia schien sich nach einiger Zeit entspannt zu haben.

Sie atmete ganz tief und regelmäßig.

Riyad warf ihr einen Blick zu.

Schlief sie gerade etwa ein?

Tyrinia saß wieder kerzengerade und starrte angestrengt in die Dunkelheit.

Sobald er wegsah, sackte sie gegen die Höhlenwand und sah etwas unkonzentrierter
drein.

Nun schlich sich das Grinsen doch deutlich auf Riyads Gesicht.

Glücklicherweise blickte er schon nicht mehr in Tyrinias Richtung.

Es sah so aus, als würde er bald alleine Wache halten, wenn das
so weiterging.

>> Hattest du schon viele Missionen? <<
fragte Tyrinia auf einmal.

Sie war wieder hellwach und sah ihn interessiert an.

Riyad nickte.

"Ich bin schon seit ein paar Jahren auf der Schule -
da sammelt sich einiges an", bestätigte er.

Tyrinia lächelte amüsiert.

>> Und wie kommt es, dass du dann nicht so entspannt wie die beiden
Kanninchen hinter uns schlafen kannst? <<

Riyad blickte zu ihr hinüber und hob eine Augenbraue.

Das war die einzige Antwort, die er gab.

Tyrinia zuckte mit der Schulter und sah wieder in die Dunkelheit.

Dann eben nicht.

Sie würde ihn dennoch im Auge behalten.

Auch Riyad versuchte wieder, nahende Gefahren zu erkennen.

Er hatte das Gefühl, Tyrinia würde es nicht schätzen, wenn er
ihr ins Gesicht sagte, dass er ihr nicht vertraute.

Tyrinia vertraute ihm ebenfalls nicht.

Sie hatte sogar etwas gegen ihn seit dem heutigen Vorfall.

Aber es ihm nicht unter die Nase zu reiben, war hier von Vorteil.

>> Wenn du nicht schlafen kannst, aus welchen Gründen auch immer, dann
kannst du ja die Wache übernehmen. <<
meinte sie nach einer Weile.

Riyad zuckte mit den Schultern.

Mit seinem Rücken an der Wand würde es für sie schwer werden,
ihn von hinten umzubringen, also hatte er kein Problem damit.

Tyrinia sah ihn kurz schweigend an.

Dann ging sie zu ihrem Platz rüber und legte sich hin.

Das war besser, als allein mit ihm zu sitzen.

Riyad hielt weiterhin Wache.

Er warf ihr allerdings einen kurzen, undeutbaren Blick zu.

Nach wenigen Stunden der ersten Ruhe kletterten die ersten Sonnenstrahlen
zwischen die Gebirgsgipfel und bestrahlten die Klippen in unschuldigem Licht.

Tyrinia atmete tief ein.

Die Luft änderte sich, wenn die Sonne aufging.
Das brachte sie dazu, aufzuwachen.


Sie setzte sich auf und sah als Erstes in die Richtung, in der Riyad sitzen sollte.


Selin runzelte die Stirn, da die Helligkeit sie störte.

Riyad war noch immer wach.

Als er ein Geräusch hörte, wandte er sich um und blickte kurz
zu Tyrinia.

Dann blickte er wieder draußen umher.

Tyrinia strich sich die Kleidung und die Haare zurecht.

Dann stand sie entspannt auf und warf Nekirs Rucksack auf seinen Besiter und
die Kuschelfurie, die nicht bemerkt hatte, dass sie sich Nekir wie ein Kissen gekrallt hatte.

Selin fauchte angenervt auf.

Ihr Kopf schnellte in die Höhe und wurde schon am Morgen von Tyrinias
höhnisch-amüsiertem, selbstgefälligem Lächeln begrüßt.

Na toll...Fängt ja super an.
dachte sie sich angenervt.

Dann bemerkte sie erst, dass es ganz schön warm in der Ecke war.
Und schließlich auch, warum.

>> Guh! <<

Sie ließ Nekir sofort los und brachte Sicherheitsabstand zwischen sie.

Tyrinia ging kopfschüttelnd zum Eingang und blieb neben Riyad stehen.

>> Wir reisen gleich weiter. <<

Nekir hob den Kopf und sah Tyrinia vorwurfsvoll an.

Er hatte das genossen!



Riyad richtete sich auf und nickte kurz.

Selin machte sich grummelnd zurecht und packte alles zusammen.

Ihr Blick huschte ab und zu zu Nekir.
Dann grummelte sie schnell wieder vor sich hin.

Tyrinia hatte wie durch Zauberhand schon alles gepackt und wartete auf den Rest.

Nekir, in typischer Wolfsmanier, hatte nichts einzupacken
und beobachtete zufrieden Selin.



Riyad hatte schnell ebenfalls alles eingepackt.

Die Gruppe ging wieder los.

Selin sah in die Richtung, in die sie mussten.

Der Weg davor war ein Klacks gewesen.

Klippen, wohin das Auge blicken konnte.

Nekir trottete wenig begeistert als Schlusslicht.

Das würde er alles klettern müssen?
Nun, im Zweifelsfall würde er eben wieder zum
Menschen werden.



Riyad zeigte weder Müdigkeit noch eine Reaktion
angesichts ihres weiteren Weges.

Selin fragte sich, wie es am Ende dazu gekommen war, dass Riyad
Wache gehalten hatte.

Hatten sie sich abgewechselt oder war in der Nacht etwas zwischen den beiden
passiert?

Sie bekam bei dem Gedanken Gänsehaut.
Nein, ich muss rational bleiben. Die beiden... nie im Leben.

Ihr Inneres lachte nervös.

Tyrinia ging entspannt auf dem kleinen Pfad.

Je weiter sie an dem Gebirgszug gingen, desto kleiner wurde der
Pfad, der links von einer Felswand und rechts von einer Klippe begrenzt wurde.

Riyad hingegen behielt die Umgebung - und auch den Himmel,
so gut es möglich war - im Auge.
Er wollte nicht überrascht werden.



Nekir trottete weiter und stupste Selin mit der Schnauze in die
Kniekehlen.