Die Medietra-Wälder

Tyrinia nickte.

>> Das klingt plausibel.

Also: Nicht schimpfen, nicht agressiv werden ... <<

Dabei sah sie Selin direkt an.
Diese machte nur ein zickiges Gesicht.

>> Nicht allzu zickig sein. Keine bösen Weltanschauungen
raushängen lassen. <<
fuhr sie fort.

>> Was auch wichtig ist! Wir sollten es mit dem Guten nicht übertreiben.
Sie schöpfen sonst Verdacht. <<
wandte Selin ein.

Da musste Tyrinia ihr zustimmen.

>> Gut, dann lasst es uns angehen. <<

Riyad blickte währenddessen zwischen den beiden hin und her.

Da keine den Anschein machte, vorausgehen zu wollen (oder auch
beide, und sie stritten sich wortlos, wer es durfte), tat er es.

Die beiden folgten ihm schweigend und stellten sich innerlich
so gut es ging auf "gut" um.

Riyad stellte sich um auf 'böse Person, die überzeugend gut spielt'.
Innerlich wünschte er sich, einfach jedes Schauspiel fallen zu lassen,
doch das konnte er sich nicht leisten. Er musste sowohl die Priester
davon überzeugen, dass er gut war, als auch seine Begleiter nicht
misstrauisch machen.

Das konnte ja noch heiter werden!



Nekir trottete hinterher und wechselte von der Einstellung 'Wolf'
auf die Einstellung 'Wolfshund'. Ansonsten verhielt er sich so wie vorher.

Sie kamen vor einem Tor an.

Selin wollte klopfen, aber das Tor öffnete sich von allein.

Lautlos schoben die Tore sich nach innen und öffneten den Blick
auf eine weite Halle, die von Sonnenlicht durchflutet war.

Riyad trat ein und blickte umher.



Nekir, immer der treue Hund, bester Freund des Menschen,
trottete hinterher.

In der Mitte der Halle war ein Altar errichtet worden.


Selin kam näher und musterte den Altar.

Was genau waren diese Priester?


Tyrinia sah sich sofort nach allen möglichen Türen und Durchgängen um.

Es gab vier. Jeweils in der Mitte und am Ende auf beiden Seiten.

Sie fragte sich, wieso das Tor sich geöffnet hatte, wenn niemand hier in der
Halle war und sie in Empfang nahm.

Leise, immer lauter werdende Schritte erklangen
aus einem der Durchgänge.

Riyad wandte sich diesem zu und gab sich Mühe,
dabei nicht allzu wachsam, sondern eher tief
gläubig, unschuldig und wissensdurstig zu wirken.

Er hatte jedes Recht dazu, hier zu sein...

Tyrinia drehte sich entspannt um.

Sie musste einfach nur die böse Kälte hinter ihrer freundlichen Maske
runterschrauben.

Sonst war Freundlichkeit schon immer ihre Waffe gewesen.
Nur leider die angsteinflößende.


Selin dagegen sah interessiert zum Gang.

Sie war schon gespannt wie die Priester aussahen.

Selin wurde enttäuscht: Der Priester, der die Halle betrat, war von
Kopf bis Fuß in einen Umhang mit Kapuze gehüllt - lediglich seine
Hände waren sichtbar, und sie steckten in Handschuhen.

"Willkommen, Reisende", begrüßte er sie. "Was führt
euch hierher?"

Tyrinia war wie umgewandelt.

Sie lächelte ein so warmes und aufrichtiges Lächeln, dass man niemals
glauben könnte, sie hätte dunkle Seiten in sich.

>> Vielen Dank, dass sie uns Eintritt gewährt haben, ehrenwerter Priester.

Wir wanderten einige Zeit zusammen und stießen auf diesen weißen Wolf.
Er führte uns zu Ihnen.

Wir erhofften uns, etwas über ihre Kultur zu erfahren und vielleicht die
Frage nach dem Grund, weshalb der Wolf uns zu Ihnen geführt hat, zu
ergründen.
Wir wären wirklich dankbar, wenn Sie uns etwas beibringen könnten. <<

Nekir blickte den Priester weise an.



Dieser musterte den Wolf für einen Moment,
dann die Gruppe.

Dann lächelte er.

"Dieser Wolf, Freundin, ist ein Zeichen der Götter",
verkündete er. "Durch ihn zeigen sie ihren Segen.
Selbstverständlich werden wir euch alles beibringen,
was wir nur können. Doch zunächst folgt mir bitte,
denn die Götter verlangen, dass ihr nun einige Zeit
hier verbringt, um zu lernen."



Riyad kam dies nun doch etwas seltsam vor, doch er
schob es auf seine Paranoia.

Tyrinia lächelte und nickte.

>> Das ist sehr großzügig. <<



Selin war irritiert.
Wie viel Zeit bedeutete "einige Zeit" für diesen Priester?

Sie beruhigte sich sofort mit dem Gedanken, dass sie, sobald sie den
gesuchten Gegenstand fanden, abhauen würden.

Diese sinnfreien Religionsgeplänkel und die Suche nach dem Inneren Ich
oder wie das alles hieß, hatten sie schon immer kalt gelassen.

Mit einer Geste, dass sie ihm folgen sollten, wandte sich der Priester
von ihnen ab und und ging los.



Nekir trottete fröhlich hinterher. Ein Zeichen der Götter? Ein Geschenk!

Selin schüttelte kurz den Kopf.

Nekir sah wirklich aus, als würde er sich etwas darauf einbilden.

Er und ein Geschenk der Götter?
Für was? Förderung der Fortpflanzungstriebe?


Sie folgtem dem Priester schweigend.

Er führte sie tiefer in den Tempel hinein und kam schließlich
in einem Gang an, von dem mehrere gleich aussehende Türen
abgingen.

"Für die Dauer eures Aufenthaltes dürft ihr euch hier eure
Unterkunft aussuchen.
Doch bitte stellt eure Schuhe draußen vor die Tür - der weltliche
Schmutz hat in einem Schlafraum nichts zu suchen."

Er verneigte sich leicht.

"Meine Freunde, ich werde euch einige Zeit lassen, um euch auf
eure Lektionen vorzubereiten."

Mit diesen Worten wandte er sich zum Gehen.

Tyrinia musterte die Umgebung und die Türen aufmerksam.


>> Das... habe ich nicht erwartet. <<
meinte sie, als der Priester gegangen war.


>> Nein, DAS bestimmt nicht. <<
meinte Selin kopfschüttelnd und trat so vorsichtig an eine Türen,
als würde sie im nächsten Moment befürchten, dass sie in die Luft gesprengt
würde.

Sie drückte die Klinke runter und ließ die Tür aufschwingen, ohne die Schwelle zu
übertreten.

Dahinter lag ein völlig normaler Raum, eingerichtet mit einem Stuhl,
einem Tisch und einem Bett. Das Bett war überraschend groß und
war wohl einmal sehr schön gewesen, sah nun allerdings schon
mitgenommen aus.



Nekir blickte an ihren Beinen vorbei (und hinauf, in der Hoffnung,
dass sie magisch einen Rock bekommen hatte) und in das Zimmer.

Dann lief er fröhlich hinein und schnupperte herum.
Es roch...er konnte es nicht genau einordnen, doch der Geruch gefiel
ihm außergewöhnlich gut.

Tyrinia blickte kurz über Selins Schulter.

>> Hm, sie scheinen Reisende gerne zu beherbergen.

Ist wohl ein Phänomen bei Guten. Weil es gut ist. <<
meinte sie und seufzte.


Selin war verwundert über Nekirs Freude.

Aber die Zimmer weckten kein Misstrauen in ihr.


>> Wie lange sollen wir bitte hier bleiben? <<
fragte sie leise.

Sie konnten schließlich immer noch gehört werden.

>> So lange, bis wir finden, was wir suchen. <<
meinte Tyrinia dazu nur.


>> Wir sind Reisende. Auf der Suche. Und hier werden wir es finden.
Und wenn wir es finden, gehen wir. <<

Sie sah Selin verschwörerisch an.

Selin seufzte angenervt und drehte sich ergeben um.

>> Na gut.
Dann nehme ich halt dieses Zimmer.
Nett ist es ja schon... <<


Tyrinia hatte ein seltsam flaues Gefühl im Bauch.
Sie wusste nicht woran es lag.

Alles schien doch in Ordnung.

Aufgeregt sprang Nekir auf sie zu und hechelte.

Sie beide in diesem Zimmer?



Seufzend suchte sich Riyad sein eigenes Zimmer.
Anscheinend sahen sie alle genauso aus. Selbst die
Alterserscheinungen der Betten wirkten ähnlich.

Er zog seine Schuhe aus und betrat das Zimmer.

Selin wedelte ihn weg.

>> Denk nicht daran, mit mir in einem Zimmer zu sein!! <<

Tyrinia zog sich gerade ebenfalls die Schuhe aus.

>> Ich glaube kaum, dass Riyad ihn bei sich aufnehmen wird.
Und betrachte es eher als Teil deines Schauspiels, dich gut um
"das Geschenk der Götter" zu kümmern. <<

Hoffentlich würden sie diese verdammten Spannung dann endlich im
Zimmer lassen, dachte sie sich natürlich eher dahinter
und betrat ebenfalls ein Zimmer, um ihre Sachen dort abzuladen.

Selin sah ihr wütend hinterher.

Irgendwann würde sie eine Möglichkeit finden, um Tyrinia eins auszuwischen.

Nekir rollte sich friedlich neben dem Bett zusammen und
blickte sie unschuldig an.

Sie würden viel Spaß zusammen haben...

Selin stand im Türrahmen und sah ihn finster an.

Dann trat sie ein und umrundete das Zimmer einige Male.

Sie sah sich jedes Möbelstück an und dann das Bett.


Erst testete sie die Oberfläche.
Das Bett war wirklich ganz nett.

Dann sprang sie runter und sah unter das Bett.

Nekir hatte seine Schnauze daruntergeschoben
und blickte ihr mit einem fragenden Laut entgegen.

Was genau machte Selin da?

Selin sah ihn kurz an, kniff die Augen zusammen und krabbelte wieder rückwärts raus.

>> Ich will eben wissen, was GENAU mich alles umgibt, wenn ich hier schon schlafen soll! <<

Nekir trabte schnell um das Bett herum und auf sie zu.

Er umgab sie, natürlich!

Selin sah auf und blickte ihm dadurch entgegen.

>> Was zum... <<

Sie verengte wieder die Augen.

>> Geh weg, Nekir!

Siehst du nicht, dass ich beschäftigt bin! <<

Sie stand auf, glättete ihre Hose und ging in dem Zimmer umher,
sah sich die Decke an.

Nekir folgte ihr wie ein treues Hündchen.

Nur mit weniger reinen Intentionen.

Selin blieb neben dem Bett stehen und sah sich dort alles ein.

Ganz unauffällig griff sie an eine Kante der Bettdecke.

Als Nekir wieder bei ihr angekommen war, packte sie die Decke,
warf sie auf Nekir und sprang auf ihn.

Mit der Decke presste sie ihn auf den Boden.

>> Verdammt-noch-mal! <<
fluchte sie wütend.

Erschrocken jaulte Nekir auf und versuchte, sich zu befreien.
Das jedoch sorgte nur dafür, dass er sich noch besser in der
Bettdecke verfing.

Plötzlich wandelte er die Gestalt und war nun in menschlicher
Form unter Selin.