Das Reichenviertel der Stadt

"Ach - willst du das wirklich nicht?"

Gespielt enttäuscht blickte Ganymed Lyra an.

Sie lächelte nur vor sich hin.

>> Das unterstell mir nicht.
Ich habe meine eigenen Gedanken. <<

Ciara lächelte amüsiert am Lenkrad, bevor sie in die von
Fiona angewiesene Richtung lenkte.

"Gut zu wissen", bemerkte Ganymed süffisant
und blickte in die Richtung, in die sie nun fuhren.

Sie sollten tatsächlich schon da sein?

Die Atmosphäre in Rennas Wohnzimmer veränderte sich.


Mitten aus der Luft kam Renna mit Natasha geflogen.

Nicht so elegant wie sonst.

Mit einem unangenehmen Aufprall landete Renna auf dem Rücken
und Natasha auf ihr.

Renna keuchte durch den Aufprall auf.

Irgendetwas hatte sie aus ihrer Bahn gebracht.
Aber im Augenblick war sie eher unter Natasha begraben.

>> Lebst du noch? <<
fragte sie den Sack über sich und öffnete die Seile um ihn, sodass
Natasha den Sack von ihrem Kopf nehmen konnte.

Das tat sie auch sofort.

"Ja...danke", keuchte sie. Das Atmen unter dem Sack
war nicht leicht gewesen.

Schnell bewegte sie sich von Renna herunter.

Renna atmete tief ein und legte den Kopf kurz auf den Boden.


>> Kein Problem. <<

Der Schmerz ließ sie auffahren.
Verwirrt suchte sie nach der Ursache.


>> Ah, Mistkerl. <<
knurrte sie leise, als sie es sah.

Ein Langdolch ragte aus ihrem Bein, die Kleidung in der Umgebung war schon in dem
charakteristischen dunklen Rotton.

Vorsichtig legte sie die Hand an den Griff.
Doch dann zögerte sie wieder.

Natasha hielt ihr Handgelenk fest.

"Lass es drin", riet sie ihr.
"Wenn du es rausziehst, kann es sein, dass du verblutest.
Weißt du jemanden, der das heilen kann?"

Renna zuckte bei Natashas Berührung innerlich zusammen.

Doch wie immer riss sie sich zusammen und ließ sich absolut nichts anmerken.

Sie atmete tief ein.

>> Ja, aber ich sollte den anderen helfen. << meinte sie nachdenklich
und sah dann zu Natasha.

>> Dir geht es aber gut, oder? <<

Sie nickte.

"Ja, mir geht es gut. Noch mal danke..."

Sie kannten sich kaum, und doch hatten sie sie gerettet.
Und Renna war dabei verletzt worden...

"Und du kannst ihnen nicht helfen, wenn dir ein Messer
im Bein steckt, und du kannst ihnen noch weniger helfen,
wenn du tot bist.
Wer kann das heilen?"

Renna schwieg kurz.

Sie hasste es, Hilfe zu bekommen.
Das war wie ein Eingeständnis von Schwäche.


Und da gab es noch ein Problem.

>> Hör zu, Natasha.
Diese Menschen hier. Sie dürfen nicht raufkriegen, dass wir in Kämpfe
verwickelt sind. Ich kann nicht einfach mit einem Dolch im Bein zu
der Heilerin laufen.

Wir haben einen streng aufgebauten Ruf zu bewahren.
Das ist schwer zu erklären. <<

Sie strich sich seufzend das Haar aus dem Gesicht.

Wie sollte sie es Natasha erklären, ohne sie gleich einzuweihen.

Ciara und die anderen mussten mitentscheiden, wie sie Natasha beibrachten,
welchen Preis ihre Rettung haben würde.

Natasha zuckte mit den Schultern.

"Ich wollte dir den Dolch zeigen, den ich von meiner
Schwester bekommen habe, und wir hatten einen
kleinen Unfall damit."

Renna lächelte amüsiert.

>> Wir müssen wirklich seltsame Spiele spielen, wenn das so endet. <<

Die Vorstellung war interessant. 


Dann überlegte sie wieder.

>> Kannst du ein Fahrzeug fahren, Natasha? <<

"Ja...wohin?", fragte Natasha.

Abgesehen davon, so seltsam mussten die Spiele
nicht sein - sie hatte noch immer die Narbe am Arm,
die das bewies...

>> Ich werde dir den Weg zeigen. <<
meinte Renna.

Dann richtete sie sich langsam auf.

Sie beobachtete Natasha kurz.

>> Ah, nochmal willkommen in Estarya. <<

Natasha lächelte.

"Ist hier jeder Tag so?"

Sie trat an Renna heran, um sie zu stützen.

Renna nickte.

>> So in der Art. Vielleicht nicht so extrem wie heute, aber
in anderen Ausmaßen. <<

Sie schien wieder kurz zu zögern und zu überlegen, aber schließlich stütze
sie sich bei Natasha ab.

"Da habe ich mich ja auf etwas eingelassen",
überlegte Natasha laut, doch sie lächelte weiterhin svhwach.

Dann führte sie Renna vorsichtig nach draußen.

Sie würde noch in die Fußstapfen ihrer Schwester treten...

Renna nahm währenddessen einen Schlüssel von der Wand und schloss die
Tür ab.


>> Wir zeigen dir dafür Orte und Methoden, durch die du viel Spaß haben
kannst. <<
meinte sie mit einem verheißungsvollen Zwinkern, als sie zusammen mit Natasha
zu der Garage ihrer Eltern ging.

Natasha grinste.

"Also, Renna, das hätte ich nicht von dir erwartet..."

Renna erwiderte ihr Grinsen.

>> Da gibt es noch so einiges.
Aber sag es nicht den anderen. <<
flüsterte sie amüsiert und zwinkerte ihr kurz zu.


Dann öffnete sie das Garagentor.

Natasha war doch ein wenig neugierig, was genau sie
fahren würden, und lugte hinein.

"Niemals", versicherte sie Renna gleichzeitig.

Es war ein sehr großes, kompaktes Auto, das beinahe unzerstörbar wirkte
mit seiner standfesten Bebauun und den großen Schneereifen mit Ketten.


Renna lehnte sich kurz gegen die Garagenwand, die Fernbedienung in ihrer
Hand.


>> Meine Eltern sind im Augenblick nicht da. Das ist dir bestimmt schon aufgefallen.
Deswegen lassen sie immer das Auto, dass ihre Kinder nur mit großer Anstrengung
schrottreif fahren können. <<
erklärte sie kurz und leicht amüsiert.

Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie es nämlich geschafft, den Plan ihrer
Eltern zu durchkreuzen. Das hatte ein Donnerwetter gegeben..

"'Nur mit großer Anstrengung'?", fragte Natasha amüsiert.

"Heißt das, du hast es schon geschafft?"

Während sie das fragte, führte sie Renna zum Beifahrersitz.

Renna setzte sich auf den Beifahrersitz und nickte ihr dankbar zu.

Sie wartete, bis Natasha auf der anderen Seite angekommen war.

>> Ja, das habe ich schon geschafft.

Da mein Bruder nie Zuhause ist, wussten meine Eltern natürlich, wer
das Auto demoliert hatte. Aber bis heute glauben sie mir nicht ganz, dass
die Kratzer und riesigen Dellen von einer wilden Tour durch den Waldweg kommen konnten.
Und der aufgerissene Auspuff und die zerknautschte Motorhaube und die zerstörte
Winschutzscheibe. <<

Natasha grinste, während sie sich ins Auto setzte.

"Das ist alles? Immerhin ist der Motor nicht explodiert",
merkte sie an.

"Also, wohin?"

Der war am Ende garnichtmehr drin...
erinnerte Renna sich, beließ das aber als unerwähnenswert.

>> Ersteinmal fahren wir aus meiner heimatlichen Anlage raus und dann fährst du
einfach in Stadtrichtung. <<

"Okay."

Natasha fuhr in die angegebene Richtung.

Renna kam mit Natasha in dem Viertel an und parkte dann vor einem der Häuser.

>> Hier sollten wir uns treffen. <<
meinte sie und sah sich misstrauisch um, während sie ausstieg.

Auch Natasha blickte umher.
Waren die anderen schon da?

Renna sah zu der Garage.

>> Ich glaube, sie sind schon da.
Lass uns einfach nachsehen. <<
schlug sie vor und schwang sich über den Zaun.