Eingangshof

Der Eingangshof wird durch einen steinernen Torbogen und ein Gittertor
von der Außenwelt getrennt.

Durch diesen Torbogen kann man in ihn und somit in die Schule gelangen.

Eine Gestalt, die in einen dunklen Umahng gehüllt war, ging über
den Hof.
Sie hatte einen Rucksack auf dem Rücken und hatte sie vermummt.

Man merkte ihr schon an der Gangart an, dass sie erschöpft war.

Langsam sah Rinoa an den Steinwänden empor.

Nachts wirkte diese Schule bedrohlich.
Aber Rinoa mochte das.

Sie war überglücklich, dass sie es geschafft hatte, unbemerkt zu entkommen.

Alles Gute zum Geburtstag, Rinoa.
dachte sie sich mit einem bitteren Lächeln und ging weiter.

Ben machte einen kleinen Nachtspaziergang.
Er mochte diese Zeit des Tages, wenn alles so ruhig war, die Luft so klar...
Und er brauchte nicht so viel Schlaf wie manche anderen. Das war auch
ganz nützlich.

Als er die Schritte hörte, blieb er überrascht stehen.

Wer ist denn jetzt unterwegs?, fragte er sich.
Es konnte ja nicht schaden, nachzusehen, und so sah er über den Hof.
Und erblickte die Gestalt, die ihm seltsam bekannt vorkam...wieso nur?

Riona sah ihn nicht und warf ihre Kapuze nach hinten.

Ihr Blick wanderte über die Steinfassade.

Erst jetzt hatte sie Zeit, sich darüber zu freuen, dass
sie dieser Zeremonie entgangen war.

Und all dem, was danach folgte.

Heute war ihr 17. Geburtstag.
Und damit erreichte sie die Vollwertigkeit in der Gilder der
Setiahexen.

Und die damit einhergehenden Pflichten würde sie danach auch erfüllen müssen.
Ihre Anführerin hatte ihr ziemlich deutlich gemacht, was sie
darunter verstand.

Und das wollte Rinoa nicht.

Bens Augen weiteten sich überrascht, als er erkannte, wer es war.

Sie?!

Sofort stand er so still wie eine Statue. Er hatte wirklich keine Lust auf eine
Auseinandersetzung mit ihr...
Wieso war sie überhaupt hier? Hatte sie nichts Besseres zu tun? Hexensachen?

Dann bemerkte Rinoa eine Gestalt und sah genauer hin.

Er?!

Das hatte ihr noch gefehlt.
Ein Mensch aus ihrem alten Leben...
und das, wo sie jetzt neu anfangen wollte.


Rinoa beschloss, ihn zu ignorieren.
Dann würden beide Vorteile daraus ziehen.

Sie schien ihn entdeckt zu haben...also konnte er auch auf ihre Anwesenheit
reagieren.

Ben trat auf sie zu.

"Rinoa", begrüßte er sie kühl.
"Was machst du hier?"

>> Kleine Karotte! <<
begrüßte sie ihn "freundlich".

So hatte sie ihn wegen seiner Haarfarbe genannt.
Manchmal war sogar der Kommentar gekommen, er hätte den Körperbau einer
Karotte.

>> Ich gehe, wie du dir vielleicht denken könntest, jetzt auf diese Schule.
Und du?
Wieso traust du dich so weit weg von deiner Mama?
Ist das nicht hart für dich?
Kein Heimweh? <<

Ben war schon immer für sie wie ein Kleinkind gewesen.
Natürlich war er keins. Aber sie ärgerte ihn immer, einfach,
weil er jünger war als sie.

"Nein, eigentlich nicht..."

Ben gratulierte sich selbst, dass er es dieses Mal geschafft hatte, nicht gleich
nach dem 'Spitznamen' die Beherrschung zu verlieren. Aber wie sie ihn
behandelte - als wäre sie so viel besser als er! Woher nahm sie das Recht,
das zu tun?

"Aber wird das nicht zu hart für dich, Pechmariechen? Immerhin bedeutet
Schule, dass du arbeiten musst ... und das ist doch sicherlich viel zu viel
für dich. Haben dir deine Freundinnen nichts davon erzählt?"

Rinoa lächelte amüsiert.


>> Das wird das geringste Problem hier sein, kleines Küken
Ich hätte nicht gedacht, dass ich Karotten ernten muss.
Naja.. ich hab ja noch mein Erntemesser... <<
meinte sie etwas abfällig.


Sie wollte sich jetzt nicht mit zu viel Streitereien aufhalten.
Ihre Kräfte waren geschwächt davon, ständig getarnt durch die Gegend laufen zu müssen.
Erst jetzt hatte sie diesen Zauber lösen können.

"Dein Erntemesser?", fragte Ben sie.
"Meinst du das hier?"

Mit einer Hand hielt er etwas hoch, das man in der Dunkelheit nicht deutlich
erkennen konnte.
Unmerklich machte er sich bereit, zuzuschlagen, wenn sie abgelenkt war.

>> Was soll das denn heißen? <<
fragte sie verwundert.

>> Mein Erntemesser sieht etwas anders aus, Karotte. <<

Noch während sie sprach, bewegte sich Ben und schlug nach ihr.
Er wollte sie nicht verletzen, lediglich außer Gefecht bringen.
Und zum Schweigen, wenn es keine Umstände machte...ihr
Verhalten regte ihn auf.

Doch Rinoa merkte es noch rechtzeitig,
um ihn mit einem schwarzen Strahl fünf Meter weiter weg auf
den Boden zu schleudern.

>> Du Mistkerl wolltest mich verprügeln?! <<
Jetzt war sie wirklich wütend.
>> Kleine hinterlistige Ratte.. <<
knurrte sie.

Das hieß Krieg!

Mit einem leisen Ächzen landete Ben auf dem Boden und sandte sofort heilende
Magie in seinen Körper, ohne sich lange mit einer Bestandsaufnahme der
Verletzungen aufzuhalten.

Schnell sprang er wieder auf.
Das würde sie zurückbekommen!

Rinoa warf ihren Rucksack auf den Boden und sah ihn
anriffslustig an.

>> Komm her, du kleiner Mistkerl! <<

Sie würde ihm schon noch zeigen, wie eine böse Hexe kämpfte.

"Du solltest an deinen Beleidigungen arbeiten - sie wiederholen sich", riet
er ihr, dann lief er los, um die Entfernung zwischen ihnen zu überbrücken.

Immer weiter aufmerksam, was sie noch für Zauber in der Hinterhand
hatte.

Rinoa bewegte sich kein Stückchen.

>> Das hier ist auch kein Wettkampf, was Schimpfwörter angeht.
Das wäre einfach nur lächerlich. <<
knurrte sie.

Komm nur zu mir.

Bens Mundwinkel zuckten.
Es war allerdings nicht deutlich erkennbar, ob nach oben oder unten.
Vermutlich nach unten.

Jetzt war er auf Schlagnähe herangekommen...
Allerdings griff er nicht sofort an, sondern machte einen weiteren Schritt,
sodass er neben ihr stand.
Nur, falls sie einen Angriff vorbereitet hatte.

Der Boden unter ihm wurde schwarz und eine dunkle Macht packte ihn
an den Füßen und riss ihn wieder fünf Meter weiter weg.

>> Ich könnte das die ganze Nacht lang machen. <<
meinte Rinoa.

>> Du weißt, dass man Mädchen nicht schlägt. <<

Während er wieder aufstand und sich heilte, zuckte Ben mit den Schultern.

"Ich muss dich nicht schlagen...ich kann dich auch treten, wenn du willst."

Wie konnte er an ihr vorbeikommen?

Rinoa seufzte.

Er benahm sich so kindisch, dass sie die Lust zum Kämpfen verließ.

>> Hör zu.
Ich habe keine Lust auf solche Kinderraufereien.
Es hat sich echt garnichts verändert.
Vielleicht sollte man dir wieder eine Lektion erteilen.
Aber ich habe jetzt nicht die Absicht, es zu tun. <<

Sie ging zu ihrem Rucksack und hob ihn auf.

Der wahre Grund war, dass sie einfach nur zu erschöpft und kraftlos
war, um Ben den Hintern zu versohlen.

Jetzt jedoch bewegten sich Bens Mundwinkel eindeutig ein wenig nach oben.

Das war eine gute Methode, den Kampf zu beenden.
Er mochte es wirklich nicht gerne, wenn er immer wieder zu Boden geworfen
wurde - es erinnerte ihn an den Beginn seiner Ausbildung.

Aber sie würde jetzt wirklich auf diese Schule gehen?
Innerlich seufzte er. Konnte es noch besser kommen?

Rinoa drehte sich zu ihm um, streckte ihm die
Zunge raus und ging langsam richtung Treppen.


Wenn sie nicht auf den Treppen umkippte, würde
sie wirklich ein Stück weiterkommen.

Geräuschlos folgte Ben ihr.

Das, was er vorhatte, hatte nichts mit Ehre zu tun...
Aber zum Glück war ja Gylia nicht da.

Er streckte die Hand aus und berührte Rinoa so leicht, dass es auch ein
Windstoß hätte sein können.
Dann sandte er seine heilende Magie aus, die ein wenig verändert war.
Und zwar auf eine Art und Weise, die dafür sorgte, dass Personen, die
sie zu spüren bekamen, bewusstlos wurden.

Rinoa bekam nichts von seinem hinterhältigen Angriff mit.

Sie wollte gerade die Treppe nehmen, als schließlich alles
schwarz wurde.

Bewusstlos fiel sie zu Boden.
Ihr Rucksack landete etwas entfernt von ihr auf dem Boden.

Mit Bewegungen, die so wirkten, als hätte er das schon oft gemacht, schnappte
sich Ben den Rucksack und Rinoa und schleppte beide in Richtung Krankenversorgung.

Wieder einmal war er dankbar für sein Training.

Rinoa wachte nicht wieder auf.

Doch nach einiger Zeit ertönte ein metallisches Geräusch
hinter Ben auf dem Boden.

Er drehte sich um, um nachzusehen, was es war.

Es war immerhin recht ungewöhnlich...

Etwas glitzerte auf dem dunklen Boden.
Ein kleiner Anhänger lag auf dem Boden.

Er war aus Rinoas Tasche gefallen.