Das Reichenviertel der Stadt

Leonora stöhnte angenervt auf.

Hoffentlich löschte dieser Kerl das Bild gleich!


Derdekia sah sie mitleidig an.

Námo hatte eher den Gedanken, dass er es entweder
als Dartscheibe benutzen oder an die ganze Schule
weiterverbreiten würde.

Beides wäre äußerst interessant...

>> Du wirst sehen, was er tut.
Schlimmstenfalls weiß bald die ganze Schule wie
du unter deinen sowieso knappen Sachen aussiehst.
Oder du gewinnst einen Verehrer. <<
meinte Genika.

Leonora kam wieder unter der Decke hervor.
>> Du hast leicht reden. <<

"Oder er erpresst dich damit, dass er die ganze Schule
wissen lässt, wie du unter deinen sowieso knappen
Sachen aussiehst", fügte Námo noch hinzu.

Man konnte immer noch einen draufsetzen...

Leonora warf ihm einen giftigen Blick zu.

>> Okay, okay! So schlimm wirds doch bestimmt nicht werden.
Und wenn, dann rede ich mit ihm. <<
meinte Derdekia.

Und er würde auch auf sie hören, wie Námo ihn kannte.
Lys war ein anständiger Kerl.

Schade eigentlich..

>> Und vielleicht mag er dich ja.
Ihr könntet Freunde werden. <<
meinte Derdekia fröhlich.

Leonora sah sie ungläubig an.

>> Nein.. Derdekia, nein.
...
Nein. <<

Auch Námo starrte sie an.

Sie kannte Lys eindeutig nicht...

"Nein", stimmte er Leonora zu.

Derdekias Blick wurde seltsam verträumt.

>> Und vielleicht.. könnte eine Liebe daraus entstehen.
Ja, eine Liebe könnte dein Herz entflammen. <<
freute sie sich.

Leonora sah sie entsetzt an.

>> Derdekia, nein! <<

"Das ist ein verdammt unheimlicher Gedanke",
fügte Námo hinzu.

Leo und Lys...das wäre zu viel für diese Welt.

Das fand auch Leonora.

>> Derdekia.
Du kennst diesen Jungen nicht.

Wir passen einfach nicht zusammen. Niemals.

Glaub mir einfach. <<
meinte sie nur dazu.

"Glaub ihr einfach", stimmte ihr auch Námo zu.

"Du weißt, dass du es musst, wenn wir beide
der gleichen Meinung sind."

Derdekia nickte.

>> In Ordnung. <<

Sie würde sich diesen Lystran irgendwann genauer ansehen.

Námo musterte sie noch einen Moment.

Wieso nur hatte er das Gefühl, dass Derdekia
noch nicht aufgegeben hatte?

Aber egal. Er blickte Leonora erwartungsvoll an.

"Drehst du jetzt?"

Leonora nickte und drehte.

Die Flasche stoppte bei Námo.

Er verzog ein wenig das Gesicht.

Auf Leonoras Gesicht zeichnete sich ein Lächeln ab.

Ein schadenfreudiges, böses, rachesüchtiges Lächeln.

>> Oh, Námo also. <<

"Warum habe ich das Gefühl, dass ich gleich von einem
Raubtier angefallen werde?", wandte sich Námo an
Derdekia. "Kontrolliere deinen Schützling mal ein bisschen!"

>> Aber sie braucht doch Freiheit, um sich entfalten zu können. <<
meinte Derdekia schulterzuckend.

>> Dann wird sie eben ein püschiger Tiger. <<

>> Wieso plüschig?! <<
regte Leo sich auf.

Dann überlegte sie, was sie Námo für eine Aufgabe stellen konnte.

Doch das erwies sich als schwierig, weil Námo ständig mies gelaunt war.
>> Irgendwelche Vorschläge? <<
fragte sie seufzend.

Von Genika und Derdekia kam nur ein Kopfschütteln.

>> Na toll. Und was nun? <<

>> Ihr habt doch diese seltsamen Generatoren.
Vielleicht können die ja eine Art Aufgabe würfeln.
Und das Erste was kommt, muss Námo machen. <<
schlug Genika vor.

Leonora überlegte kurz.

>> Ja, das ist garnicht so schlecht. <<

"Na toll", grummelte Námo.
"Mein Schicksal ist in den Händen eines Zufallsgenerators.
Wie tief werden wir wohl noch sinken?"

>> Hoffentlich sehr tief. <<
meinte Leonora und sah ihn dementsprechend an, bevor sie
ihr Handy wieder rauszog und den jeweiligen Generator suchte.

Derdekia beobachtete die beiden.
Da war wirklich viel Spannung zwischen ihnen.

So eine dynamische Beziehung hatte sie noch nicht erlebt.

Námo schnaubte.

"Dass es dafür überhaupt einen Generator gibt..."

Leonora zuckte mit den Sultern.

>> Es gibt überall so einen Mist.
Generatoren für den besten Lippenstift.
Extra zerrissene Kleidung, die böse aussehen soll.
Grimmige Schutzengel. <<
zählte Leonora nebenbei auf.

Dann fand sie den Generator und drückte auf den Knopf zum Generieren.

Námo schnaubte noch einmal.

...hoffentlich sagte der Generator nichts
allzu Schlimmes!

Leonora schwieg, als sie das Ergebnis sah.

Und schwieg.

Und runzelte die Stirn.

Genika sah sie an.
>> Und? Was kam raus? <<

>> Ich würfel nochmal. <<
meinte Leonora entschieden.

>> Nein! <<
Genika war mit einem Satz bei Leonora und blickte auf den Bildschirm.

>> Aha!
Küss die Person, die du am wenigsten leiden kannst. <<

Leonora sah sie düster an.

Námo verzog das Gesicht so sehr, dass es beinahe
abgefallen wäre, wäre es nicht angewachsen.

Dann runzelte er die Stirn.

"Anwesende?"

Genika sah ihn verwirrt an.

Hieß dass, er konnte viele nicht leiden?

Sie etwa auch?
Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken.

>> Ja, du Schlaumeier. <<
knurrte Leo zurück.

Genika sah kurz zu ihr.

Dass er und Leonora sich nicht leiden konnten, war mehr als deutlich.

Für einen Moment atmete Námo auf.
Kilian wollte er nun wirklich nicht küssen!

Dann blickte er noch missmutiger drein
als zuvor.
Das bedeutete immerhin, dass er Leo
küssen musste!

Das fiel auch Genika auf.

Und es gefiel ihr nicht.
Sie wäre lieber diejenige gewesen, die Námo hätte küssen sollen.

Gab es nicht Aufgaben wie: Küsse deinen Schützling?

Leonora sah ebenso unbegeistert drein.
Immerhin gab es etwas Positives.
Es war nicht ihr erster Kuss.
Das wäre es ja noch!

Ihr erster Kuss durch Námo.
Wie schrecklich diese Vorstellung war!

Námos Flügel zuckten unwillkürlich.
Es war sein erster Kuss.
Und er war mit Leo!

Langsam ging er zu ihr hinüber,
presste schnell seine Lippen auf ihre
und hätte für den Weg zurück vermutlich
beinahe den Weltrekord gebrochen.

"Verdammte Aufgabe", murmelte er,
hochrot im Gesicht.