Das Schlemmerviertel

In diesem Viertel der großen Innenstadt gibt es viele
Restaurants, Bars, Cafés und andere Läden, in denen man es
sich richtig gut gehen lassen kann.

Und zu laut ist es dort auch keineswegs.
Aber dafür sehr gemütlich.

>> Und hier habe ich das beste Eis der ganzen Region
gefunden. <<
verkündete Alfie, als er sich mit Kedar und Ganymed
in eine Sitzecke des Ladens setzte.

>> Ein gemütliches, kleines Lädchen ist das.
Gefällt mir. <<
meinte Kedar mit einem anerkennenden Lächeln.

"Mir auch", stellte Ganymed fest und beobachtete
einige Mädchen, die draußen entlanggingen.
"Nette Aussicht."

Auch Kedar ließ sich diesen Anblick nicht entgehen.

Er musste ein leises halb verlangendes, halb genüssliches
Knurren unterdrücken.

Ob es Ganymed auch manchmal schwer fiel, die eigenen
Bedürfnisse zu unterdrücken?

Kedar tippte auf ein eindeutiges Ja.
Welcher Werwolf würde bei einer so großen Zahl von schönen
Mädchen, die man sich nicht einfach nehmen konnte, durchdrehen?

Alfie hatte Glück, dass er nicht mit einer raubtierhaften Seite geboren wurde.

Der sah nämlich fröhlich in die Speisekarte und wählte sein Lieblingseis.

Ganymed musste sich darauf konzentrieren, sich nicht auf eines
oder gleich eine ganze Gruppe der Mädchen zu stürzen. Wie
konnte Alfie nur daran denken, sich ein Eis auszusuchen?

Sein Atem ging schneller, während er versuchte, sich zurückzuhalten.
Ein Überfall und eine Vergewaltigung waren kein guter Anfang für
dieses Schuljahr...

Er knurrte. Was ging ihn das an?

Kedar sah zu Ganymed rüber, als er das Knurren hörte.

Er schien wirklich Schwierigkeiten zu haben.
Ja, da teilten sie dasselbe Leid.

Alfie sah nur kurz hoch zu Ganymed.

>> Ihr wärt bestimmt super Gesangskünstler,
wenn ihr eure Stimmen sogar zu tierischen Knurrgeräuschen
verstellen könnt. <<
meinte er vergnügt.

Kedar sah zu ihm.

DER Kommentar hatte sowas von garnicht gepasst.
Was für ein seltsamer Vogel!

Kedar musste grinsen.

Ganymed starrte Alfie zunächst an, dann prustete er los.
Dieser Junge hatte es geschafft, ihn komplett von den
Mädchen abzulenken, damit er sich totlachen konnte -
beeindruckend.

Nur schade, dass er gerade zu viel lachte, um diese
Gedanken zu denken.

Auch Kedar musste jetzt lachen.

Alfie sah verwirrt zwischen den beiden hin und her.

Hatte er etwas Seltsames gesagt?

Langsam beruhigte sich Ganymed wieder.

"Nur zu deiner Information", stieß er hervor,
während er keuchte, "ich kann überhaupt
nicht singen..."

Alfie sah ernsthaft überrascht aus.

>> Ernsthaft?!
Das hätte ich dir nie abgekauft, weil du deine
Stimme so heftig verstellen kannst! <<
meinte er aufrichtig.

Kedar grinste wieder.

>> Ganymed.
Folge dem Hinweis von Alfie und nimm Gesangsunterricht. <<

Ganymed erwiderte das Grinsen herausfordernd.

"Nur, wenn du das auch machst."

Er wollte sich immerhin nicht alleine zum Affen machen.

Alfie überlegte.

>> Ich und singen? <<

Kedar beugte sich etwas auf den Tisch.

>> Du MUSST mitmachen, wenn ich mitmache!
Und ich mach mit Ganymed mit.
Also hast du keine Wahl. <<
meinte er fröhlich.

>> A-aber..! <<

"Kein aber", entschied Ganymed. "Du machst mit.
Es war deine Idee, wieso beschwerst du dich?"

Sein Blick fiel wieder auf die Mädchen. So erregend...
Hoffentlich sabberte er nicht.

>> Weil ich kein stimmliches Talent bin.
Bei mir wäre es bloß eine Verschwendung! <<
versuchte Alfie, sich zu verteidigen.

Kedar schmunzelte.

>> An deinem Selbstbewusstsein müssen wir noch arbeiten,
Alf. <<
stellte er kopfschüttelnd fest.

"Du wirst schon sehen - es macht bestimmt Spaß!",
fügte Ganymed hinzu. Für wen, das sagte er
allerdings nicht.

Alfie hob die Hände.

>> Gut, gut!
Ihr habt mich besiegt.
Ich gebe zu, es war eine dumme Idee.

Oh, und ich hätte gerne Erdbeereis. <<
teilte er dann schnell dem vorbeieilendem Kellner mit.

"Und ich nehme Schokoladeneis", fügte Ganymed der Bestellung ebenso schnell hinzu.
Dann wandte er sich an Alfie.

"Das heißt, kein gemeinsames Singen?"

Der Werwolf zuckte mit den Schultern.

"Okay."

>> Ich nehme Vanilleeis. <<
schloss Kedar sich der Kollektivbestellung an.

Der junge Kellner nickte und ging mit den Bestellungen.


Alfie lächelte etwas unsicher.

>> Es war eine Schnappsidee. <<

Kedar grinste.


>> Alfie, du musst noch viel lernen.
Wenn du die Mädchen beeindrucken willst, mein Freund, dann
musst du von Anfang an singen können oder du musst brüllen können. <<

Alfie hörte ihm aufmerksam zu.

>> Brüllen? <<

Kedar nickte selbstsicher.
>> Das Brüllen, Alfie, ist unser Ziel.
Wir sind nicht die Nachtigall, die mit ihrer Stimme betört und verzaubert.

Wir sind das geheimnisvolle Raubtier, das brüllt und alles in seinen
Grundfesten erschüttert. <<

Alfie sah ihn beeindruckt an.
>> Die Raubtiere.
Aber ich kann kein Raubtier sein. So wie ihr. <<

"Ja, so wie wir eher nicht", stimmte Ganymed ihm zu.
"Aber ich bin mir sicher: Wenn du brüllst, werden die
Mädchen von dir geradezu magisch angezogen."

Auch wenn das vermutlich nicht am Brüllen liegen
würde, sondern daran, dass Alfie es tat und sie
neugierig waren. Doch es würde funktionieren, da
war sich Ganymed sicher.
Hoffentlich würde er ihnen nicht alle Mädchen
wegnehmen.

>> Und wie geht dieses Brüllen?
Soll man da einfach losbrüllen? <<
fragte Alfie verwirrt.

Bevor er ein Beispiel geben konnte, hob Kedar die Hände.
>> Nein, nein!
Das ist ein Symbol, wenn es ums Flirten geht.
Du solltest besser nicht wirklich brüllen, sonst halten
sie dich noch für irre.
Das richtige Brüllen geht nur, wenn du wirklich ein Raubtier bist.
Dann sind die Mädchen wirklich beeindruckt und rühren sich meist nicht
von der Stelle.<<

Immer eine gute Gelegenheit, sich auf sie zu stürzen und sie in einen Raum fortzuschleppen...

Ganymeds Gedanken bewegten sich in ähnliche Richtungen. Zwar war er sich nicht
immer sicher, ob die Mädchen sich nicht eher vor Angst als vor Ehrfurcht nicht
rührten, doch normalerweise war der Unterschied ohnehin nicht groß genug, um
dafür zu sorgen, dass er von dem Mädchen abließ. Für seine Zwecke genügte es,
dass sie sich lange genug nicht bewegte, dass er sie an einen ruhigeren Ort bringen
konnte. Alles weitere ergab sich dann normalerweise schon von selbst.

Alfie beobachtete die beiden Jungen.

Sie hatten so einen seltsamen Gesichtsausdruck.

Den hatten sie irgendwie immer, sobald sie ein Mädchen gesehen hatten.
Und manchmal einfach so.

Was sie wohl gerade dachten?

Er beschloss, es lieber nicht anzusprechen,
denn Respekt hatte er großen vor den beiden.

Da er noch nicht Recht wusste, wie er sie einschätzen sollte.
Aber er mochte sie auf jeden Fall.

Der Kellner brachte ihnen das bestellte Eis und ging auch schnell wieder.
Er schien ebenfalls Respekt vor Ganymed und Kedar zu haben.

>> Ah! Mein Erdbeereis. <<
freute Alfie sich.

Das weckte Kedar aus seinen Tagträumen.

Er hatte oft solche netten Tagträume.
Mal waren sie so wild wie seine Raubtierseite.
Mit dem Verschleppen und Zerreißen von bestimmten Kleidungsstücken.
Eben mit der Dominanz, die er als Werwolf über jene Person haben wollte,
die an sich nahm.

Aber ebenso oft -was für einen Werwolf eigentlich unüblich war und das
wusste Kedar-, da stellte er sich einfach vor wie er jenes Mädchen erforschte.
Sanft und langsam, sodass er wirklich jede Sekunde und jeden Zentimeter genießen konnte.
Es ging dabei nicht so sehr darum, seine Triebe auszuleben.
Er tat es oft aus Achtung vor ihrem Körper und ihrer Persönlichkeit.
Man könnte sagen, es war eine Liebkosung.
Und der Vorteil daran war, dass sich alles allmählich aufbaute und steigerte.

Eine Ekstase, die noch länger andauerte als die intensive Variante, die
seine raubtierhafte Seite bevorzugte.
Und deshalb genauso gut und süchtig machend.

Wenn Kedar wieder daran dachte, musste er sich stark unter Kontrolle halten, um
seinen Körper von eben aus jenen Gedanken folgenden Reaktionen abzuhalten.

Deshalb heftete sein Blick sich sofort auf das Eis.
Er musste sich ablenken.

Ganymed versuchte ebenfalls, sich auf sein Eis zu konzentrieren anstatt auf
seine Gedanken, die langsam eine gewisse Art der Reaktion in seiner Hose
hervorrufen - obwohl er nicht einmal ein bestimmtes Mädchen im Kopf hatte!
Der Gedanke, wie er sie verschleppte und mit ihr tat, was er wollte und so
oft er wollte...

Er hatte wirklich schon lange kein Mädchen mehr gehabt...

Seine Blicke klebten an den weiblichen Personen, die draußen vorübergingen.

Ach, so viele Mädchen...ich bin im Paradies...
Ich muss Kedar beglückwünschen - die Idee, hierherzukommen, war toll!
Und es ist auch nicht wie in Nigras, wo man um sein Leben fürchten muss,
wenn man ein Mädchen nur anguckt...hier kann man gucken, so viel man will!

Und das tat er auch, während ihm das Eis auf dem Löffel schmolz.

Alfie plagten keine dieser erhebenden Gedanken.

Er freute sich an seinem Eis und blickte in dieselbe Richtung, in die
Kedar und Ganymed starrten.
Er versuchte wirklich zu erraten, was sie bloß dachten.

Die Tür zum Café öffnete sich und schloss sich genauso schnell.

Alfie sah neugierig auf und wurde sofort rot wie eine Tomate.

Lenta betrat das Café und sah sich kurz um.

Als sie anscheinend nicht fand, wonach sie gesucht hatte, atmete sie
erleichtert auf und setzte sich an einen Tisch in der hinteren Ecke des Raumes.

Alfie rammte aus lauter Nervosität den Löffel in sein Erdbeereis, sodass das
Glas gefährlich knirschte.
Erst dann wurde er auf sein seltsames Verhalten aufmerksam und wandte sich
schnell wieder seinem Erdbeereis zu.

Natürlich nicht, ohne möglichst unauffällige Seitenblicke in die hintere Ecke zu werfen.


Hoffentlich ist Kedar und Ganymed nichts aufgefallen.
Sie starren zum Glück immernoch nach draußen.

Als Lenta eintrat, blickte Ganymed gerade dorthin und musterte sie erst einmal
genauestens.
Als er dann Alfies Reaktion auf sie bemerkte, grinste er wissend und wandte sich
wieder dem Fenster zu.
Sollte doch Alfie sich um dieses Mädchen kümmern...oh, bei den Göttern, dieser
Körper von dem Mädchen dort draußen! Damit musste sie eine wahre
Liebesgöttin sein!

>> Ganz ehrlich, Alfie.

Du hast es nicht drauf, unauffällig zu sein. <<
meinte Kedar plötzlich amüsiert und fing an zu lachen.

>> Ich dachte, du hast nach draußen gesehen! <<

>> Ja, habe ich auch.
Aber so heftig wie du deinen Löffel in dein Eis gerammt hast, da
kann man dich nicht ignorieren. <<

Er grinste böse.

>> Wir wissen doch alle, was du damit unweigerlich deutlich gemacht hast. <<

Alfie öffnete und schloss seinen Mund verzweifelt, um etwas zu erwidern.

Angesichts Alfies Reaktion stimmte Ganymed in das Gelächter mit ein, merkte sich
aber noch schnell das Gesicht (und den Körper) des Mädchens von draußen.

"Ja", stimmte er Kedar zu, "geh hin, zieh sie in dein Zimmer und hab deinen Spaß
mit ihr! Glaub mir, du wirst es nicht bereuen. Trau dich!"

Alfie erreichte einen intensiven Rotton auf dem Gesicht.

>> N-nein, sowas kann ich doch nicht machen.

Ich weiß garnicht, wie man sowas anfängt...
I-ich... <<
stotterte er verzweifelt.

Kedar lächelte und lehnte sich in den Stuhl.
>> Ich verstehe schon.
Du bist eine Jungfrau im doppelten Sinne, was?
In Sachen Liebe und Bett. <<

"Folge deinen Instinkten", riet Ganymed.
"Männer auf der ganzen Welt machen das,
da wirst du wohl auch nicht anders sein.
Das Wichtigste hast du ja schon."

Mit diesen Worten wies er dezent in Lentas
Richtung.

>> A-aber ich kenne sie ja kaum!

Und was soll ich dann sagen? <<


Kedar seufzte.

>> Ich glaube, Ganymed, wir werden ihm Einiges beibringen müssen. <<