Die Medietra-Wälder

Selin biss angenervt in einen Apfel.

Sie bemühte sich, zu lächeln.


Tyrinia seufzte innerlich.
Sie hatte schrecklichen Hunger, ihr Essen war im Rucksack und sie durften
nicht auffallen.

Während die anderen Priester schon aßen, begann sie, sich etwas auf den Teller
zu tun und zu essen.

Und es schmeckte wirklich gut!

Die junge Priesterin kraulte Nekir weiterhin enthusiastisch.

>> Woher kommt ihr denn? <<

>> Aus Kapuda.
Es ist im Norden. <<
erzählte Selin.

Die Priesterin hörte ihr aufmerksam zu.

>> Das ist interessant. Es liegt gleich neben Benigner, richtig? <<

Selin nickte.
>> Ja, das stimmt. <<

Riyad hielt sich - im Fall der Fälle - jedoch trotzdem
mit dem Essen zurück.



Nekir genoss seine Krauleinheit ebenso enthusiastisch
wie die Priesterin.

>> Und ihr seid alle aus Kapuda? <<
fragte die Priesterin weiter.

Selin nickte und musterte die Priesterin und Nekir weiterhin.


Die Priesterin lächelte ihr zu.

>> Wie ist dein Name? <<

Selin versteifte sich leicht.

>> Selin... <<
meinte sie ziemlich schwach.

Tyrina sah kurz rüber zu der Priesterin und Nekir.
Kurz hob sie eine Augenbraue.

Dieser Hund nutzt wirklich jede Möglichkeit...

Der Sensen-Priester saß neben Riyad.

>> Seid ihr drei Freunde? <<
fragte er ihn.

"Vor unserer Reise nicht", antwortete Riyad,
"doch unser Weg hat uns in unerwarteten Wegen
zusammengeführt."

Tyrinia lächelte.

Das hatte er ziemlich geschickt ausgedrückt.


>> Das ist schön.

Es ist gut, wenn Personen sich in unerwarteten Situationen und
Facetten kennenlernen können.
Es geht so weitaus tiefer. <<
meinte der Priester lächelnd.

Scheinbar verlegen senkte Riyad den Kopf ein wenig.

"Das ist wahr", bestätigte er.



Nekir blickte auf, ließ sich aber weiter fröhlich streicheln.

Dann nutzte er die Gelegenheit, um sich noch näher an
die Priesterin zu pressen.

Der Priester sah zu ihm und dann unauffällig zu Tyrinia und wieder zurück.

Tyrinia hatte von dem Gespräch nichts mitbekommen und hörte den anderen zu.



Die Priesterin sah zu ihm runter.

>> Du magst Kuscheln wohl sehr gerne.
Was für ein lieber Wolf. <<
meinte sie erfreut und streichelte ihn.

Selin ballte ihre Hand unter dem Tisch zu einer Faust.

Nekir machte einen genießerischen Laut
und schloss entspannt die Augen.



Riyad hatte das Gefühl, dass er für seine
Worte hier noch büßen würde.

Nun, er konnte sich wehren.

>> Was möchtet ihr in der Zukunft machen?
Gibt es etwas, das euch antreibt? <<
fragte der Priester die Drei.

Überrascht blickten sie an.

Die Priesterin streichelte Nekir schweigend weiter.

Tyrinia lächelte verlegen.

>> Die Zukunft... <<

Sie schwieg kurz.

>> Ich suche nach einer Person, die für mich besonders sein soll.
Jemanden, den ich lieben kann und der mich liebt.
Dafür, wer ich bin.

Und vielleicht... mit dieser Person eine Familie gründen.
Das wäre.. Glück für mich.

Und das, was ich in meiner Zukunft anstrebe. <<
erzählte sie mit einem verträumten Lächeln und einem bei ihr ungewohnten,
warmherzigen Blick.

Selin vergaß dabei ganz, dass sie gerade vor sich hin aß.

So sehr brachte sie Tyrinias Antwort aus der Bahn.

War das ihr Ernst oder schauspielerte sie jetzt nur?

Riyad ignorierte einfach, wie unheimlich das, von Tyrinia klingend, klang.

"Ich suche nach einem Ort, an den ich gehöre", sagte er kurz.



Nekir war so beschäftigt damit, die Streicheleinheiten zu genießen, dass
er Tyrinias Aussage gar nicht bemerkte.

Der Priester lächelte.

>> Das sind ehrliche und schöne Ziele, die ihr habt. <<
meinte er anerkennend.

>> Es freut mich, dass ihr ehrlich seid mit euren Wünschen und Gedanken.

Es kann sehr befreiend wirken, einfach die Person zu sein, die man ist. <<


Tyrinia und Selin schwiegen.

Selin sah ihren Teller an.

Die Person sein, die ich bin...

Riyad senkte lediglich wieder scheinbar verlegen den Kopf
und schwieg ebenfalls.

Die Gruppe und die Priester aßen noch eine Weile undunterhielten
sich etwas.

Der Sensen-Priester wandte sich irgendwann an die Gruppe.

>> Wollt ihr an unserer nächtlichen Zermonie teilnehmen? <<
fragte er.

>> Vielleicht wird sie euch die Augen und den Verstand öffnen. <<

Riyad wollte wirklich nicht, doch sie mussten ihre Tarnung aufrecht erhalten.
Das würde nicht das erste Mal sein, dass er etwas tat, das er nicht tun wollte.

"Oh, ja, es ist uns eine große Ehre!"

Auch Selin und Tyrinia lächelten "begeistert".

>> Auf jeden Fall würden wir mitmachen wollen. <<
bestätigte Tyrinia Riyads Worte.

Bitte kein Massaker. Kein Blut, kein Blut, kein Blut.
flehte Selin währenddessen innerlich. Sie konnte sich bei
soetwas schlecht beherrschen.

Der Priester lächelte.

>> Das ist wunderbar.
Wir werden gleich beginnen im Ritualraum.
Ihr könnt euch gerne hinter uns setzen. <<

Riyad nickte und bedankte sich noch einmal.



Nekir hielt sich noch immer an seine Priesterin.

Nachdem alle fertig gegessen hatte, erhoben sich die Priester und
gingen langsam in einen Gang.

Die Priesterin wartete auf die Drei.
Nekir war sowieso an ihrer Seite.

Riyad trat zur Priesterin.

Was auch immer ihnen jetzt bevorstand, er hoffte, es würde nicht allzu
langweilig werden.

Die Priesterin ging mit ihnen und folgte den anderen.

Sie kamen in einen Raum mit einem großen Altar.

Der Boden war voller Sitzkissen.
Von Bänken schienen sie anscheinend nichts zu halten.

Es war nicht groß, aber sehr gemütlich.
Ein einziges, kleines Fenster, das geschlossen war,
deutete den aktuellen Tagesstand an.

Ansonsten waren überall Vorhänge an die Wände gehängt, die die
Gemütlichkeit unterstützten.

>> Ihr könnt euch hier hinsetzen. <<
bot die Priesterin an und deutete auf eine Gruppe Sitzkissen, die
in einer Ecke waren.

Derweil holten die Priester einige Schalen aus den Schränken am Kopf
des Raumes und streuten da verschiedene Pulver rein.

Auch der Priester, dem die Gruppe am Eingang begegnet war,
schloss sich nun den anderen an.



Riyad ging in die angewiesene Ecke und blickte sich gleichzeitig
im Raum um.
Alte Gewohnheiten waren nur schwer abzulegen, dachte er bei
sich, als er nach Fluchtmöglichkeiten suchte.

Ein Priester nach dem anderen nahm sich eine Schale.

Die Priesterin gab den Drei ebenfalls Schalen.


Der Sensen-Priester entzündete in der größten Schale ein Feuer.

Er nahm einen breiten, abgerundeten Stab und zündete ihn
durch das Feuer an.

Den angezündeten Stab hielt er in jede Schale.

Das Pulvermaterial entzündete sich nun ebenfalls.
Jedoch kamen keine Flammen raus.
Aus den Schalen stieg lediglich duftender Rauch.


Der Sensen-Priester kam nun ebenfalls zu den Drei.

>> Ihr müsst die Schale unter euren Bauchnabel halten. <<
erklärte er ihnen.

Tyrinia runzelte die Stirn.
Da sie nicht auffallen wollten, taten sie, wie ihnen befohlen wurde.

Der Priester schob den Stab nun ebenfalls in die Schalen der Drei.

Der Rauch, der aufstieg, roch sehr süß und betörend.

Selin hüstelte kurz.

Der Priester lächelte und hob seinen Stab wieder an.


Dann schritt er zum Altar und steckte den Stab senkrecht in eine Halterung.

Sie begannen eine Mischung aus Singsang und Gebet.

Was man raushören konnte, war, dass ihr Angebeteter Salax hieß.

Tyrinia fragte sich, was für ein Gott das war.
Sie hatte nie etwas von ihm gehört.

Vielleicht wussten die anderen es ja.
Sie hoffte, dieser Salax war einfach nur Gott der Künste oder Sonnenaufgänge.

Riyad wollte diese Dämpfe wirklich nicht einatmen.
Er versuchte, so unauffällig wie möglich die Schale von seinen
Atemwegen fernzuhalten. Jedes Ausatmen konzentrierte sich
darauf, den Rauch zur Seite zu blasen.

Er hasste dieses Ritual jetzt schon.

Tyrinia hatte ihren Atem verlangsamt und versuchte
ebenfalls, den Rauch nicht einzuatmen.

Sie hatte das Gefühl, dass dieser Rauch nichts Gutes bewirken würde.

Jegliche Einwirkung auf den Geist konnte bedeuten, dass sie aufflogen.


Das Ritual ging währenddessen weiter.

Eine Speise vom Alter wurde jedem Priester in den Mund gelegt.
Sie sangen weiter. In einer unverständlichen Sprache.

In einem unbeobachteten Moment fror Riyad sowohl die Schale als auch
den Rauch im Bruchteil einer Sekunde ein.
Davon würde er nicht noch mehr einatmen!

Tyrinia sah kurz zu seiner Schale.

Verdammt, sie würde das jetzt auch gerne machen wollen!


Doch zum Glück endete das Ritual schließlich auch.

Die Priester verneigten sich vor dem Altar und verließen den Raum.

Die Priesterin fing an, die Schalen einzusammeln.

Schnell entfror Riyad die Schale und den Rauch wieder und senkte sie langsam.

Ihm war der Sinn des Rituals nicht ganz aufgegangen, aber irgendeinen würde
es sicherlich gehabt haben...

Die Priesterin sammelte die Schale lächelnd ein, während der Sensenmann
ruhig am Altar stand und noch einen Satz murmelte.


>> Wir haben ein Bad für euch vorbereitet.
Ihr hattet bestimmt eine mühevolle Reise.

Danach könnt ihr ruhig schlafen gehen. <<

Selin fand die Idee eines Bades sehr reizvoll.

"Vielen Dank für Eure Gastfreundschaft."

Das fand Riyad wesentlich besser als dieses Ritual.

Er hoffte nur, dass nicht allzu viel Wasser vom geschmolzenen
Eis übrig geblieben war.

>> Das tun wir gerne. <<
versicherte der Sensen-Priester ihm mit einem leichten Nicken.

>> Folgt mir. <<

Er ging gemächlich, aber entschlossen aus dem Raum heraus.

Tyrinia folgte ihm.
Sie wollte nicht länger hier bleiben.
Der Geruch in diesem Zimmer schnürte ihr die Kehle zu.

Auch Riyad folgte ihm.
Es stank hier.



Nekir blieb noch einen Moment, dann trottete er ihnen ebenfalls hinterher.