Andegon - Schule großer Kampftalente

Andegon ist eine im Gebirge versteckte Schule.

Schon ihr Erreichen ist eine Prüfung an sich.

Dort werden einige der jungen Talente in der Kampfkunst gelehrt und
in ihren Techniken gefeilt.

Die Schüler bleiben nur vergleichsweise kurze Zeit in der Obhut der
Meister, da das Wissen, das sie benötigen, nicht nur in den Lehren, sondern
im Leben zu erlangen ist.

Dariah war an diesem Morgen bereits auf den Beinen und trainierte.

Sie konnte sich glücklich schätzen, dass ihr Rapier ein wenig verzaubert
war, dass es widerstandsfähiger wurde, denn sonst hätte es den Holzklotz,
der bereits teilweise zersplittert und mit vielen tiefen Kerben auf dem
Boden lag, wohl nicht lange überlebt.

Idhrenion saß in einiger Entfernung auf einem Felsvorsprung und beobachtete Dariah aufmerksam bei ihrem Training.

Jede ihrer Bewegung, ihren Kampfstil schien er sich einprägen zu wollen.

Dariah und all die anderen Schüler waren mehr als begabt, deshalb
sah Idhrenion ihnen gerne zu, um herauszufinden, wie sie kämpften und
ob er etwas von ihnen lernen konnte.

Seinerseits ein Stück von Idhrenion entfernt hockte Nicolas
und beobachtete Dariah ebenfalls. Gleichzeitig hatte er
jedoch auch ein Auge auf Idhrenion.

"Noch kein Training für dich am Morgen?", fragte er schließlich.


Währenddessen ließ Dariah den Holzklotz Holzklotz sein,
ignorierte ihre Beobachter zugunsten des Trainings und begann,
gegen unsichtbare Gegner zu kämpfen.

Idhrenion sah kurz zu Nicolas und beobachtete Dariah dann weiter.

Jetzt jedoch mit einem Lächeln.

>> Mein Training findet mit meiner Wahrnehmung statt. <<
erklärte er und deutete dabei auf seinen Kopf und seine Augen.

>> Ich trainiere gerade so wie du es tust.
Indem ich von anderen lerne. <<

Er schwieg kurz. Ein fast schelmisches Glitzern flackerte in seinen Augen.

>> Einem Idhrenion trainiert es sich auch viel besser nach einem
schönen, üppigen Frühstück. <<
witzelte er auf seine elfische Art.

Nicolas sah Idhrenion skeptisch an.

"Ich glaube nicht, dass ich bei dem Unterschied zwischen unseren
Waffen viel von ihr lernen kann", bemerkte er. "Dreh dich mal um."

Dabei richtete er seinen Blick jedoch wieder auf Dariah.
'Nicht viel' war schließlich immer noch mehr als gar nichts.

Idhrenion sah ihn stirnrunzelnd an.

Er war nicht derselben Meinung, aber es brachte nichts,
mit Nicolas zu diskutieren.

>> Wieso willst du perfekt kämpfen können? <<
fragte er ihn nach einer Schweigepause.

Nicolas zuckte mit den Schultern.

"Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass es möglich ist,
perfekt zu kämpfen", wich er der Frage aus.

Idhrenion musterte ihn.

>> Nein, das kann man nicht.
Aber strebt man nicht nach Perfektion, wenn man ein
Ziel hat, das man durch Kämpfen erreichen will?

Ich merke, dass du mir deine Beweggründe nicht mitteilen willst. <<

Nicolas' Mundwinkel zuckten.

"Deine Wortwahl stört mich nur ein bisschen",
ignorierte er den letzten Satz. "Wie kann man
nach etwas streben, das es nicht gibt?"

>> Meine Wortwahl definiert Perfektion nicht als etwas Existierendes.
Aber ich will mich nicht mit dir streiten. <<

Idhrenion sah wieder nach vorne.

Dieser Schüler war aus unbekannten Gründen anstrengend.

Nicolas bemerkte seine Anstrengung und schwieg für einen Moment.

Als er dann wieder zu sprechen begann, hatte er das vorherige
Thema völlig fallen gelassen.

"Sie kann wirklich gut mit dem Schwert umgehen", stellte er dann
fest. Innerlich fügte er hinzu, dass er wohl niemals im Nahkampf
auf einer vergleichbaren Stufe landen würde.
"Ihr würde ich nicht im Kampf begegnen wollen."

Immerhin konnte er in einem Kampf mit einem anderen Erwählten
diesen nicht töten, wodurch die Armbrust wegfiel. Egal, wie gut man
zielen konnte, wenn sich das Ziel im falschen Moment bewegte, konnte
auch ein Bolzen, der nur leicht verletzen sollte, tödlich sein. Und mit
seinem Kurzschwert würde er niemals gegen sie ankommen können.

Idhrenion nickte. Der Themenwechsel freute ihn wirklich.

>> Mit ihrem Rapier legt sie eine beeindruckende Schnelligkeit
und Präzision an den Tag. Damit kann sie gerade Schwertkämpfer
in die Enge treiben.

Da muss viel verbissenes Training hinter stecken. <<
meinte er anerkennend.

Für einen kurzen Moment warf Nicolas Idhrenion einen
gut verborgenen amüsierten Blick zu.

"Auch vor dem Frühstück. Ist das nicht beeindruckend?",
konnte er sich nicht verkneifen, den anderen Beobachter
zu necken.

"Aber sie trainiert wirklich viel. Treibt sich fast täglich an
ihre Grenzen."

Idhrenion musste bei diesem Kommentar ebenfalls lächeln.


>> Wofür sie wohl so ehrgeizig kämpft... <<
meinte Idhrenion nachdenklich.

"Ich weiß nicht. Du kannst sie ja fragen."

Innerlich fragte sich Nicolas, ob Idhrenions Grund zu kämpfen
ihm wirklich so wichtig war. Das Frühstück schien ja immerhin
mehr zu zählen...

In diesem Moment kam Meister Anken auf den
Platz.

>> Kommt das Frühstück einzunehmen. <<
meinte er und sah die drei nacheinander an.

Nicolas richtete sich auf und warf Idhrenion einen Blick zu.

"Da hast du dein Frühstück."

Mit diesen Worten machte er sich auf den Weg.



Schwer atmend stoppte Dariah ihre Übungen für eine Pause.
Frühstück...so spät war es schon?

Sie verstaute ihre Waffe und machte sich erst einmal auf den
Weg zu einer kurzen Abkühlung.

Idhrenion sah ihm schweigend nach.

Mit diesem Kämpfer kam er schwerer zurecht als gedacht.
Sie schienen sich nicht richtig zu verstehen oder besser misszuverstehen.


Er seufzte und sprang mit elfischer Leichtigkeit von dem Felsen.

Auf dem Hinweg zu der Halle sah er eine Gestalt mit hellblauem Kapuzenumhang,
die wie ein Schatten durch einen der Gänge wanderte, ebenfalls in die Richtung
des Speisesaals, kurz davor aber abbog und verschwand.

Er runzelte die Stirn und trat ein.

Nachdem sie sich kurz gewaschen hatte, betrat auch Dariah
den Speisesaal.

Nicolas war bereits da.

Einige der Meister und acht der weiteren Schüler saßen bereits
an den Tischen und frühstückten.

Idhrenion setzte sich an einen der Tische, sprach eine
elfische Dankesformel und nahm sich einige Früchte.


Nach kurzer Zeit kam Anken in Begleitung einer neuen Schülerin
in den Saal.

Auf den ersten Blick passte sie ganz und garnicht in diese Schule.
Sie war gekleidet wie eine Adlige und ihre beinahe weißen, blonden Haare
waren in einer aufwendigen Hochsteckfrisur gestaltet.

Selbst ihre Gangart war behutsam und erinnerte eher an eine feine Dame als
an eine gnadenlose Kämpferin.

Idhrenion konnte den Blick nicht von ihr losreißen, so sehr irritierte ihn ihre
auffällige Erscheinung und ihr seltsamer Gesichtsausdruck, der zwischen
Unnahbarkeit und verhaltener Zurückhaltung schwankte.

Anken sah in die Richtung, in der Dariah, Nicolas und Idhrenion saßen.
Natürlich alle nicht nebeneinander.

>> Du kannst dich dort hinsetzen. Iss ersteinmal etwas.
Die Kraft wirst du brauchen. <<
meinte er mit einem verschwörerischen Blick.

Catalina runzelte kurz die Stirn.

Anken sah zu den Vieren.

>> Das ist Catalina. Sie wird ab jetzt bei uns sein.
Catalina, das sind Dariah, Nicolas und Idhrenion. <<

Catalina sah einen nach dem anderen an und lächelte zum ersten Mal
ein fast schon herzerwärmendes Lächeln.

>> Es ist mir eine Ehre, euch kennenzulernen. <<
meinte sie und setzte sich dann.

Anken ging derweil zu einem anderen Tisch und setzte sich, um zu essen.

Für einen Moment musterte Dariah sie prüfend und stufte sie dann
anscheinend nicht als Gefahr ein.

"Herzlich Willkommen", begrüßte sie die Neue. "Du bist also neu hier -
soll ich dir nach dem Frühstück erst einmal eine kurze Einführung
geben, damit du weißt, was dich hier erwartet?"

>> Das wäre nett.
Der Meister sprach von einem Einführungsgespräch.

Ich weiß nicht, wann er es geplant hat. <<
meinte sie nachdenklich.

Idhrenion kannte seine Einführungsgespräche.
Sie endeten mit geprellten Rippen, Muskelrissen und
gequälten Gesichtern.

Bei der Erwähnung des 'Einführungsgespräches' zuckte Dariah
unwillkürlich zusammen. Sie erinnerte sich noch an ihr eigenes...
und das war nicht gerade angenehm gewesen.

"So ein Einführungsgespräch kann ziemlich wehtun", erklärte
sie schließlich. "Gib dir einfach viel Mühe, vielleicht hast du ja
Glück und er nimmt dich nicht ganz so hart ran."

Catalina nickte.

>> Ja, er holt uns wohl aus keinem anderen Grund hierher, als
dass wir uns anstrengen und besser werden sollen.

Ich habe schon befürchtet, dass er mir erneut zeigen will, worauf
wir uns gefasst machen müssen. <<
erklärte sie und schloss kurz die Augen.

Nicolas' Augenbrauen zuckten.


Dariah blickte Catalina ein wenig verwirrt an.

"Wie meinst du das, 'erneut'?"

Daraufhin sah Catalina sie ihrerseits verwirrt an.

>> Hat nicht jeder von uns eine schwere Strecke hinter sich?
Es muss Gründe geben, wieso jemand Hand an die Waffen legt.
Sei es Ungerechtigkeit oder Gewalt oder Anderes. <<

"Ach so..."

Leicht verlegen schüttelte Dariah den Kopf.

"Tut mir leid, aber es klang so, als hättest du gesagt,
dass der Schulleiter es dir schon einmal gezeigt hätte..."

Catalina lächelte.

>> Oh nein. Das tut mir leid. Ich habe
mich wohl schlecht ausgedrückt!

Ihr kennt ihn da viel besser als ich. <<

"Ja...aber mach dich da auf einiges gefasst",
warnte Dariah noch einmal.

Dieses Mädchen sah nicht so aus, als würde
sie seine Behandlung lange durchstehen.