Die Stadt

Selbst erschrocken darüber, dass er Genika gerade angeschrien hatte,
senkte Námo schnell wieder den Kopf.

"Tut mir leid, ich...ich geh jetzt wohl besser."

Schnell verließ er den Raum.

Derdekia wandte sich ihm zu.

>> Nein, warte! <<

Er war doch so nah dran! Er hatte sie fast!

Sie packte ihn am Arm und zog ihn wieder zurück.

>> Was ist überhaupt passiert? <<
fragte Genika leise.

"Ich bin aufgewacht, du warst nicht da, ich habe dich gesucht,
du warst nicht zu Hause, also haben wir angenommen, dass dich
Lichtjäger entführt haben, und dich gesucht. Dann haben wir
gegen sie gekämpft", fasste Námo kurz zusammen.

Genika hatte Mühe, die Worte und die Bedeutung dahinter zu erfassen.


Dann schwieg sie.
Ihr Blick wandte sich ihm zu-ernst.

>> Was ist es, was du mir gegenüber fühlst? <<

"Ich...
Du bist mein Schützling. Ich möchte dich beschützen,
vor allem. Und du bist eine herzensgute Person. Und..."

Er ließ wieder den Kopf hängen.

"Du hast einen fähigeren Schutzengel als mich verdient."

Genika musterte ihn.

>> Bin ich nervig für dich? <<

Sie schwieg und seufzte dann.

>> Nein, du hast einen besseren Schützling verdient. <<

Leonora zog sich unauffällig aus dem Schussfeld.

Das war ihr zu emotional jetzt.

Derdekia sah den beiden gespannt zu.

"Natürlich bist du nicht nervig!"

Námo wirkte, als wäre der bloße Gedanke an so etwas
völlig unmöglich.

"Und...ich bin nicht wirklich gutes Schutzengelmaterial..."

Genika sah fast aus als würde sie wieder weinen.

Doch diesesmal war es eine Mischung aus Glück und Reue.

>> Es tut mir so leid, Námo!

Es tut mir so leid, dass ich geglaubt habe, dass du so eine
herzlose Person bist. <<

Derdekia sah den beiden gerührt zu.

Als Leonora vorbeischleichen wollte, packte sie sie am Arm, ohne den Blick von
den beiden zu wenden und zog sie zu sich.

>> Bleib hier.
Das ist jetzt auch deine Welt. <<

Leonora verzog das Gesicht.

>> Die beiden müssen ihre Beziehung einfach ausbauen!
Da ist zu enig Vertrauen und Genika, naja, sie ist halt einfach... <<

Derdekia sah Leonora eindringlich an.

Leonora schwieg wütend.

Námo grinste ein wenig schief.

"Und mir tut es leid, dass ich dich nicht vor ihnen
beschützen konnte", sagte er leise.

Genika lächelte ganz leicht.

>> Können... können wir das wieder gutmachen, Námo? <<
fragte sie unsicher.


Leo atmete tief ein.
Das war ja nicht zu ertragen!

Derdekia stieß sie leicht an.

>> Wir... lassen euch mal allein. <<
meinte sie leise und schob Leonora dann raus.

Námo zuckte mit den Schultern.

Die Situation schien ihm langsam etwas unangenehm zu werden.

"Von meiner Seite aus ist alles in Ordnung", meinte er und lächelte
zögerlich.

Genika schwieg.

Dann nickte sie als Einverständnis, dass das Thema jetzt beendet werden konnte.

Námo lächelte erleichtert und setzte sich vorsichtig
zu ihr auf das Bett.

"Wie geht es dir jetzt?", fragte er.

Genika strich sich durch das Haar, leicht verlegen.

>> Ich bin erschöpft.
Aber Verletzungen habe ich keine. <<
versicherte sie ihm.

"Dann ruh dich aus - ich bin mir sicher, Derdekia wird dich
vorher sowieso nicht aus dem Bett lassen."

Námo grinste ein wenig.

"Sie ist stur bei so was."

Genika nickte müde lächelnd.

Derdekias Sturheit hatte ihnen wohl schon unbemerkt öfter das Leben gerettet.

>> Bleibst du auch in Derdekias Wohnung? <<

Námo nickte.

"So lange, wie du hierbleibst."

Er fragte sich für einen Moment, ob Derdekia das etwas
ausmachen würde, doch er war sich sicher, dass sie es
verstehen würde.

Genika lächelte zum ersten Mal seit einiger Zeit wieder sichtlich erfreut.

>> Ich bleibe ein bisschen hier.
Du musst nicht hier im Schlafzimmer bleiben bei mir.
Gib mir nur ein oder zwei Stunden. <<

Námo nickte zögerlich.

"Wenn du meinst..."

Langsam stand er wieder auf.
Er ließ Genika jetzt nur sehr ungern aus den Augen.

Genika machte eine scheuchende Handbewegung.

>> Das Bett wird mich nicht auffressen oder entführen. <<
versicherte sie ihm.

Dennoch schweifte ihr Blick kurz musternd zum Bett unter ihr.

Dann sah sie wieder gespielt sicher zu ihm.
>> Geh ruhig.
Du bist ja nur ein Zimmer weiter. <<


Derdekia saß entspannt auf einem Hocker in ihrer Küche.
Ihre lebendige Geisel saß direkt neben ihr und starrte den Kakaobecher anklagend an.

Námo nickte erneut.

"Ruf mich, wenn etwas ist, in Ordnung?"

Er klang eindeutig besorgt.
Doch dann lächelte er wieder.

"Schlaf gut."

Genika nickte lächelnd.

Dann legte sie sich mit dem Gesicht zur Wand hin und war still.

Derdekia wartete gespannt auf Námo.

Námo deckte sie noch vorsichtig zu und verließ dann den Raum.

Derdekia erwartete ihn lächelnd.

>> Wie geht es euch? <<

Námos Lächeln sagte ihr bereits beinahe alles, was sie wissen musste.

"Sie ruht sich jetzt aus."

Derdekia war erfreut.

>> Komm, setz dich zu uns, Námo. <<

Sie goss ihm einen weiteren Tee auf.

Dieser Tee schmeckte jedoch ganz anders.
Ungewohnt erfrischend und wärmend zugleich.

Derdekia lehnte sich gegen die Arbeitsplatte.
Sie sah Námo und Leonora an, die stumm ihre Tasse ansah.

>> Wir werden mehr an uns arbeiten müssen.
Das hier sollte uns zeigen, dass wir viel aufzuholen haben.

Zwischenmenschlich. <<

Sie sah zwischen Námo und Leonora hin und her.

Námo zuckte unverbindlich mit den Schultern und blickte
Leonora aus dem Augenwinkel an, während er den Duft
des Tees einatmete.

Mit ein wenig Luftmanipulation kühlte er das Getränk ein
wenig schneller ab, sodass er trinken konnte.

Derdekia lehnte sich mit dem Oberkörper auf den Tisch und verschränkte die Arme.

Erschöpft legte sie das Kinn auf ihre Unterarme und sah die beiden an.

Was mache ich nur mit euch?

Leonoras Blick hätte die Tasse in die Luft gesprengt, wenn es möglich
gewesen wäre.

Dann lehnte sie sich angenervt zurück.
Sie hatte keinen Bock auf diesen ganzen Gefühlsmist!

Námo trank weiterhin unbeteiligt seinen Tee.

Derdekia seufzte leise.

>> Hat sie dir irgendetwas darüber gesagt, was sie ihr
für Lügen erzählt haben? <<
fragte sie nach einer Weile an Námo gewandt.