Das gute/helle Viertel

Grace nickte leicht.

Er schien richtig zu liegen, denn Felicia blieb abrupt stehen und sah die beiden
geschockt an.

>> Was?! <<


Auch Amilia und Vi sogen scharf die Luft ein.

>> Aber.. sollten die nicht nur in Fabunitas sein? <<
fragte Amilia unsicher.

Sie setzten Grace in eines der Sofas.

Sie fiel fast schon rein.

Erst im Licht des Wohnzimmers sah man, dass sie völlig blass war.
Kalter Schweiß lag auf ihrer Haut.


Felicia beugte sich zu Grace runter und begutachtete besorgt ihr Gesicht.

Grace lächelte sie benommen an.

>> Und weiter?
Was genau ist denn passiert mit dem Jäger? <<
fragte Vi irritiert.

"Rita ist dem Jäger passiert", fasste Raphael kurz zusammen,
"aber erst, nachdem er Graces Arm aufgespießt hat."

Konnten sie sich bitte endlich um ihre Wunde kümmern?
Und das Gift.

>> Der Arm? <<

Felicia zog sofort die Jacke von Grace Schultern runter.

Schon, als sie die Jacke runterzog, keuchte sie auf.

Mehr schwarze und dunkellilane Äderchen kamen ihr auf dem Arm entgegen,
je weiter die Jacke runterglitt.

Als sie zu der Wunde kam, sah sie das gesamte Ausmaß.

Die Wunde hatte sich bedrohlich dunkel gefärbt und blutete wieder, sobald
die Jacke weg war.


>> Ach du kacke. <<
stieß Amilia erschrocken aus und hielt sich die Hand vor den Mund.

Keine von ihnen hatte so etwas jemals gesehen.

Grace schluckte und schloss die Augen.

Sie war schon die ganze Zeit über angespannt, um das Zittern aus ihrem
Körper zu verbannen und sich zusammenzureißen.
Aber es zerrte an ihren Kräften.

>> Der Jäger hat sie vergiftet. <<
stellte Felicia schnell fest.

>> Haben wir denn ein Gegengift? <<
fragte Amilia nervös und leicht panisch.

Vi dachte angestrengt nach.

>> Wir haben Mittel, die den Immunitätswert erhöhen, aber ein Gegengift? <<

>> Ami, hol von oben aus dem Badezimmer Verbandszeug, Desinfektionsmittel und diese
rote Salbe. Weißt du noch, welche ich meine? <<
fragte Felicia sie.

Ami nickte schnell und lief los.

>> Ah! Und hol mir einen Gurt.. nein, einen Gürtel! <<
rief Felicia ihr noch hinterher.

>> Wie seid ihr nur auf einen Jäger gestoßen?
Wie lange ist das ungefähr her, dass er dich verletzt hat? <<

>> E-eine Sch-stunde. <<
meinte Grace.

Vi eilte zu einem Schrank und wühlte darin rum.

"Kann ich irgendwie helfen?", bot Raphael an.

Nun, da er die Verletzung sah, konnte seine auch
noch eine Weile warten.

Felicia drehte sich zu ihm um.

>> Ja, du könntest... <<

Da sah sie seine Hand.

>> Warte, du bist auch verletzt!

Auch von dem Jäger? <<

Amilia kam die Treppe wieder runtergerast.

Keuchend kam sie in dem Wohnzimmer an.

>> Hier, ich habe alles gefunden! <<

"Nicht so schlimm, und nicht vom Jäger",
lenkte Raphael ab.

"Also, was soll ich tun?"

>> Kannst du bitte Wasser holen und zwei Gläser?

Und einen Lappen. <<
bat Felicia ihn.


>> Okay, ich habe die Immunsteigernden gefunden.

Aber ein spezifisches Gegengift... das haben wir nicht. <<

>> Nein, wir hatten ja keine Ahnung, dass sie seit Neustem
Gift produzieren können. <<
meinte Felicia kopfschüttelnd.

>> Okay, aber damit müssen wir es versuchen. <<

Raphael machte sich inzwischen daran, das Gewünschte zu besorgen.

In der Küche stolperte er, fing sich aber noch ab.

Amilia horchte auf und sah kurz in die Küche.

>> Alles gut, Raphi? <<


Felicia las sich derweil kurz den Inhalt der Flasche durch und schüttelte das
Ganze.

Grace beobachtete sie dabei, während Vi weitersuchte.

"Ja, alles in Ordnung", bestätigte er.

Er musste sich nur später eine Weile ausruhen, dann würde
das schon in Ordnung gehen.

Mit den bestellten Gegenständen kam er schließlich zurück.
Mit seiner Hand war er sehr vorsichtig, dennoch schaffte er
es, alles zu transportieren.

Felicia zog den Gurt in der Zwischenzeit kurz unter der Achsel
um den infizierten Oberarm.


Sie betreufelte das Tuch, das Raphael ihr mitbrachte mit einer Flüssigkeit,
die sie in einem der Gläser mit Wasser verdünnte.


>> Beiß da bitte drauf, Grace. <<

Grace tat folgsam wie ihr aufgetragen wurde,


Felicia überlegte und tastete kurz den linken, uninfizierten Arm ab und
sah sich die Adern dort an.

Dabei murmelte sie kurz etwas von "Blutkreislauf" und "Herz" und nickte
erleichtert.

>> Wir kriegen das schon hin.
Die Infektion hat bis jetzt nur das Gewebe deines Ober- und Unterarms
erreicht. <<

Was wirklich ein unglaubliches Glück war!

Vi kam mit einer zweiten Flasche wieder.

>> Feli, ich glaube, wir haben ein kleines Problem.
Wie wollen wir ihr die Flüssigkeit injizieren. <<

Felicia verzog das Gesicht.

>> Mist. Du hast Recht. Wir haben keine Spritze! <<


Amilia saß weiter hinten.

Sie hatte keinen blassen Schimmer, was die drei taten und planten.
Da die gesamte Situation sie überforderte, hielt sie sich zurück.

Jetzt überlegte sie zur Ablenkung, wo sie etwas Spritzenartiges herkriegen konnten.

Amilia hasste Blut. Und Grace' Arm sah furchtbar aus.
Es war wie in einem schrecklichen Unfall.

Man konnte nicht hin-, aber auch nicht wegsehen.

>> Mein Plan ist, mit den Desinfektionsmittel und der Salbe die Oberfläche und
die ersten Hautschichten zu reinigen.

Meine Angst wiederum ist aber, dass die Infektion in den Blutkreislauf eindringt.
Und die Mittel, die wir als Gegenmaßnahme nehmen wollen, ist nur sehr wirksam,
wenn wir es in Grace' Blutkreislauf einflößen.

Damit würden wir nebenbei auch auf Nummer sicher gehen, dass nichts von
dem Gift sich unerkannt in ihr Blut mischen kann. <<
erklärte sie schnell.

Vi nickte.
Das klang nach einem guten Plan.
Aber nun hatten sie wirklich ein Problem.

"Keine Spritze im ganzen Haus?",
fragte Raphael nach.

Warum hatten sie es dann? Hatten sie das Mittel besorgt
und sich gedacht, die Spritzen würden sie später holen?

>> Eine kleine Panne in der Umzugsorganisation. <<
erklärte Felicia und warf Amilia einen Blick zu.


Amilia tat so, als würde sie nichts sehen.

>> Uns bleibt nichts anderes übrig als es ihr auf die Wunde zu kippen.
Sehr barbarisch, aber hoffentlich annähernd so effetkiv wie die Spritzversion. <<
meinte sie mit einem ergebenen Schulterzucken.

Die Flasche wurde gepackt und geöffnet.


Vi desinfizierte derweil die umliegende Region der Wunde.

>> So, Grace. Wir wollen nicht spüren, wenn es weh tut. <<
meinte Felicia.

Grace deutete ein Augenrollen an.
Sie war froh, dass sie überhaupt noch mitbekam, was um sie herum geschah.
Denn sie fühlte sich schrecklich.

Felicia goss erst einen kleinen Teil der Flüssigkeit in die Wunde und drückte
mit einem weiteren Tuch gegen das Austrittsloch.


Grace zuckte etwas, aber ansonsten schien es nicht allzu schrecklich zu sein.

Einen weiteren kleinen Teil mischte sie unter das Wasser und gab es Grace zu trinken.

Raphael sah schweigend zu.

Grace entspannte sich wieder mit einem Seufzer.


Felicia lehnte sich wieder zurück und atmete aus.

>> Hoffen wir, dass es klappt. <<
meinte sie.

>> Wenn nicht, werden wir definitiv in das Krankenhaus fahren.
Und dann erzählen, sie hätte im Industriegebiet einen Unfall oder so etwas gehabt. <<


Grace schaffte wieder ein Lächeln.
Es war zufrieden.

>> Danke.
Und jetzt schnappt euch Raphael. Seine Hand, meine ich. <<
meinte sie so schnell wie möglich, als Felicia ein böses Grinsen
an den Tag legte bei ihrer Aufforderung.

>> Euer Wunsch sei uns Befehl. <<
meinte sie amüsiert.

Felicia wandte sich Raphael zu.
>> Sehen wir uns mal deine Hand an. <<

Nun, da Grace versorgt war, zeigte Raphael seine Hand vor.

Unter dem ganzen verkrusteten Blut konnte man schon gar
nicht mehr feststellen, wo genau sie verlief.

>> Ich schätze, du wäschst erst einmal deine Hand.

Dann kann ich dich auch verarzten. <<
meinte Felicia mit einem Zwinkern, als sie das sah.


>> Ami, könntest du.. <<

>> Ja, ja. Ich gehe ja schon Verbandszeug holen! <<

Amilia raste voraus in das Badezimmer.

Auch Raphael blickte nun auf seine Hand.

"...ja, ich glaube auch", stellte er fest.

Jedoch war er sich nicht mehr allzu sicher,
was seine Standfestigkeit anging.

Videline runzelte die Stirn.

>> Geht es dir nicht gut, Raphael? <<
fragte sie.

Felicia umfasste Raphaels Unterarm. Ganz vorsichtig.

>> Wie wär´s, wenn du dich hinsetzt und ich einen nassen Lappen hole? <<
schlug sie vor und dückte Raphael auf das Sofa neben Grace' Sessel.

Raphael grinste schief.

"Gute Idee..."

Wie es aussah, passten Blutverlust, Anstrengung und Aufregung
nicht allzu gut zusammen.

Felicia wollte gerade aufstehen, da wurden ihr schon ein nasser Lappen
und ein Eimer mit Wasser in die Hand gedrückt.

Etwas verwundert sah sie Vi an.

>> Danke. Wie bist du so schnell..? <<

Vi schüttelte den Kopf.
>> Unwichtig. <<

>> Na gut.. <<

Felicia wandte sich Raphael zu, nahm seine Hand vorsichtig in ihre und
begann, die Wunde vorsichtig zu reinigen.

Ab und zu zuckte Raphael ein wenig zusammen,
blieb aber ansonsten still sitzen und sah ihr dabei zu.

Als Felicia fertig war mit seiner Wunde, griff sie zu der Desinfektionsflasche.

>> Es ist nur zur Sicherheit, Raphi.

Sei nicht böse auf mich. <<
meinte sie gequält, während sie ein weiteres Tuch mit dem Mittel
befeuchtete.

Dann bearbeitete sie vorsichtig seine Hand und träufelte etwas in die Wunde.

Amilia war gerade mit dem Verbandszeug wiedergekommen und sah besorgt zu
Grace.

Erfreut stellte sie fest, dass sie an Farbe im Gesicht zurückgewann.

"Au!"

Raphaels Hand versuchte, wegzuzucken, doch er schaffte es,
sie nicht komplett wegzuziehen.

Felicia nahm eine sterile Oberfläche aus dem Verbandskasten und drückte auf
die Wunde.

>> Es wird gleich besser. <<

Kurz sah sie sich die Wunde an und verarztete Raphaels Hand dann.

>> So - fertig! <<

Raphael lächelte sie an.

"Danke."

Er fragte sich, warum sie so genau wusste, wann was zu tun war.
Erfahrung?

Felicia lächelte und lehnte sich zurück.


>> Jetzt kann ich sogar sagen, dass es irgendwie von Vorteil war,
länger in dieser Gruppe gewesen zu sein.

Du glaubst ja garnicht, wie oft sich die netten Damen hier verletzen! <<


Vi verzog ein Gesicht.

>> Also, da müssen wir aber einiges klar stellen!
Es gibt einige, die sich öfter verletzen als andere! <<

Amilia grinste.

>> Jup!
Ich war noch nie ernsthaft verletzt seit ich hier bin. <<

>> Ja, dich würde ich auch lieber nicht verarzten wollen, weil du mich
mit deinem mundwerk und deinen Händen zerreißen würdest!
Sie ist schrecklich, sag ich dir. Wenn sie in Rage ist, nimmt sie überhaupt
kein Blatt vor den Mund! <<

Amilia sah sie wütend an.
>> He! Züngel hier nicht so rum, intrigante Schlange! <<

Felicia lächelte unbeeindruckt.
>> Sie ist sehr sensibel, wenn man sie darauf anspricht. <<

>> Wirklich?! <<
meinte Amilia sarkastisch.


Vi schwieg amüsiert.

>> Naja, dann komme ich.
Ich kann gut auf mich aufpassen.

Dann ... <<

Grace hob die Hand.

>> Hier! <<

>> Stimmt, Grace. Sie prügelt sich manchmal mit Rita, wenn sie
sich nicht einig sind.

Und dann kommt schon Videline!
Sie fällt öfters vom Motorrad. <<

>> Jup. Naja, ich falle nicht. Ich fliege eher im hohen Bogen. <<
meinte Vi etwas verlegen.

>> Und die Spitzenreiterin ist eben unsere "kleine Prinzessin". <<
meinte Felicia lachend.

>> Du siehst. Eine ganze Menge zu tun hier!

Ich hoffe, du wirst nicht so schlimm wie Rita und Vi! <<

"Ich gebe mir Mühe", versicherte Raphael ihr und versuchte
erfolglos, sein Lächeln zu unterdrücken.

Diese Mädchen waren wirklich eine große Familie, mit allem,
was dazugehörte.

>> Wollt ihr euch etwas ausruhen? <<
fragte Videline.

Da mischte sich Amilia ein.

>> Nein, jetzt noch einen Moment!

Ich würde jetzt endlich gerne wissen, was passiert ist!

Was hat es mit den Jägern auf sich und wo ist Rita?

Und... was bedeutet das alles jetzt? <<

Videline schwieg.
Das fragte sie sich natürlich auch, aber es war vielleicht etwas zu früh.

Grace bewegte sich etwas in ihrem Sofa.

>> Rita hilft Taya und Caroline, Alex und Mila zu finden und aus dem Anwesen
auf dem Feld zu befreien. <<

Alle drei sahen sie irritiert an.
>> Was?! <<

Felicia strich sich über die Schläfen.

>> Nochmal zum Mitkommen.
Du sagst uns gerade, dass Rita Taya hilft?

Wie zum Teufel ist das denn jetzt passiert? <<

Raphael blickte hin und her zwischen ihnen.

Er hatte die Gruppendynamik zwischen ihnen und den anderen
auch noch nicht richtig verstanden, also hielt er sich heraus.