Das Reichenviertel der Stadt

>> Sagt der notorische Miesepeter, der außer den Flügeln
keine Ähnlichkeit mit einem Engel hat. <<
hisste Leonora zurück und beugte sich provokant nach vorne.

Derdekia drückte sie zurück in den Stuhl.
Was sollte sie bloß mit ihnen machen?

Es war weitaus schwieriger, diese Gefühlswallungen zu bändigen
als sie gedacht hatte.

"Und du bist wohl das Paradadebeispiel für das Lichtvolk,
was?", gab Námo säuerlich zurück.

Dieses Mädchen regte ihn einfach auf!

>> Was? So einen Mist habe ich niemals gesagt!
Dieses ganze Pseudogute interessiert mich nicht.
Es liegt nunmal leider in meinen Genen!

Ein Fluch, wenn ich bedenke, mit was für Gestalten ich
abhängen muss, die andere als "gut" bezeichnen. <<
knurrte sie.

"Oh - keine Sorge. Dieses Leid teile ich mit dir",
kommentierte Námo bissig.

Ja, er benahm sich nicht wie der durchschnittliche
Engel. Na und? War es ihm etwa verboten, eine
eigenständige Persönlichkeit zu sein?

>> Es reicht. <<
fuhr Derdekia dazwischen, bevor jemand noch handgreiflich wurde.


Leonora warf Námo tödliche Blicke zu, schwieg dann aber.


>> Wie wäre es, wenn du uns die Zimmer zeigst? <<
lenkte Derdekia das Thema ab und wechselte kurz mit Genika
Blicke.

Sie sollte in Námos Nähe bleiben.

Námo schwieg.
Er wirkte ein wenig grantig.

Leonora nickte und stand auf.

>> Es ist ein Gästezimmer.
Das heißt, ihr müsst überlegen, wer mit wem in
einem Zimmer schläft. <<
meinte sie nur und ging vor.

Námo verzog ein wenig das Gesicht.

Solange es nicht mit ihr war, ging mit
ihm alles in Ordnung.

Denselben Gedanken hatte auch Leonora.

Deshalb wandte sie sich kurz zu ihm.

>> Du kannst auswählen, ob du dir mit Genika oder
mit Derdekia das Zimmer teilen willst. <<
meinte sie bemüht freundlich, ohne ihn wirklich anzusehen.

Derdekia lächelte leicht.
Immerhin war es ein Anfang und sie machte sich die Mühe,
noch mit Námo zu reden.

Das hätte vor einigen Wochen noch ganz anders ausgesehen.

Die Entscheidung fiel Námo nicht allzu schwer.

"Mit Genika", meinte er.

Leonora würde sie sonst noch in Stücke reißen,
wenn er nicht da war, um aufzupassen.

Leonora hatte das erwartet.

Und er hatte auch weise gewählt.

Genika lächelte erfreut hinter ihnen, versuchte aber,
ihre unbändige Freude darüber so gut es ging zu verbergen.

Leonora trat vor ein Zimmer und öffnete es.

>> Hier könnt ihr später schlafen. <<
meinte sie.


Derdekia tänzelte auf ihre unmenschliche Art um Leonora rum und nahm sie wieder von
hinten in ihre Arme.
>> Und machen wir auch diese .... diese Dinge, die man macht, wenn man übernachtet? <<
fragte sie vorfreudig.

Leonora hob verwirrt eine Augenbraue.
>> Meinst du eine Pyjamaparty? <<

>> Ja! Genau das! <<
meinte Derdekia begeistert.

Námo musste dem Drang widerstehen, seinen Kopf
gegen die nächstgelegene Wand zu schlagen.

Diese Dinge...
Hatte Derdekia keine Ahnung, wie das klang?

...nun, da er darüber nachdachte, vermutlich nicht.
Er dachte wirklich nicht sonderlich wie ein Engel, wie
ihm auffiel.

Genika lächelte amüsiert.

Sie mochte Pyjamapartys!

Dann überlegte sie kurz und sah kurz zu Leonora.
Ob das eine so gute Idee war.

>> Meinetwegen. <<
antwortete Leonora schließlich, weil sie Derdekias
Enthusiasmus einfach zu drollig fand.

"Dann bleibt nur noch eine Frage offen",
stellte Námo fest.

"Woher nehmen wir drei die Pyjamas?"

>> Um mich musst du dich nicht kümmern, Leo.
Ich habe meinen dabei. <<
meinte Derdekia grinsend.

>> Du wusstest es also von Anfang an. <<
meinte Leonora seufzend.

>> Natürlich, meine Liebe. <<
hauchte Derdekia fröhlich.

Wenn Genika nicht gewusst hätte, dass Derdekia Leonoras
Schutzengel war, hätte sie gesagt, die beiden wären ein Liebespaar
oder, dass Derdekia zumindest etwas von Leonora wollte.

Leonora überlegte.
>> Ich kann Genika etwas leihen und Námo etwas von meinem Vater geben. <<

"Danke", meinte Námo abwesend und starrte
Derdekia an.

Sie hatte das geplant?

Derdekia lächelte ihn fröhlich an.

Dann wandte sie sich wieder Leo zu.
>> Und was macht man so auf Übernachtungen bei euch? <<

Leonora schwieg.

>> Nun ja...
man spielt Spiele. <<
meinte sie etwas betroffen.

Gerade ihr Freundeskreis war sehr ... erfahren im Ausüben
von mehr als interessanten Übernachtungsfeiern.

Námo wunderte sich ein wenig, warum Leo plötzlich so
schweigsam war, und hakte nach.

"Was für Spiele?"

>> Kartenspiele unter anderem... <<
meinte Leonora schulterzuckend.

Bei denen der Verlierer je nach Motivation am Abend ein
Kleidungsstück ablegen muss.
Aber das kann ich nicht mit dieser Truppe spielen...

"War es wenigstens Strippoker?", fragte Námo.

Er konnte sich nicht vorstellen, dass Leonoras
Truppe Karten spielte, ohne noch einen 'Zusatz'
zu bekommen.
Extrawurst für Zicken!

Leonora war etwas verwundert, dass er sich anscheinend darin
auskannte und sah in das Zimmer.

>> Ja.... <<
gab sie zu.


>> Was ist Strippoker? <<
fragte Derdekia neugierig.

Genika war wieder etwas rot geworden.
Sie hatte wieder ihre eigenen Gedanken.

Námo zögerte kurz.
Sollte er es ihr erklären?

"Poker mit ein paar Extraregeln",
hielt er sich dann an die Wahrheit.

In Grundzügen.

Derdekia sah ihn interessiert an.

>> Was für Extraregeln? <<
hakte sie weiter.

Sie ahnte, dass es etwas Schmutziges sein musste, weil
alle so betreten schwiegen.

Námo zuckte mit den Schultern.

"Das ist jetzt zu kompliziert, um es zu erklären."

Er kam sich vor wie mit einem kleinen Kind und
räusperte sich schnell.

"Derdekia, weißt du überhaupt, wie Poker geht?"

>> Nein.
Können wir es spielen?
Dieses andere da auch? <<
fragte Derdekia, die nun mehr als neugierig darauf war.


Leonora sah verzweifelt zu Námo.
>> Poker können wir spielen.
Aber das andere... <<

"Es dauert lange genug, die Regeln von Poker zu lernen",
meinte Námo aus Ausflucht.
"Danach können wir ja noch weitersehen."

Er hatte, ehrlich gesagt, nicht allzu viel dagegen, Strippoker
zu spielen - auch wenn sie mit Pyjamas nicht allzu viel
auszuziehen hatten.
Oder gerade, weil dem so war...

>> Gut, dann spielen wir Poker! <<
meinte Derdekia begeistert.


>> In...deinem Zimmer, Loelein? <<
fragte sie nach.

>> Wieso in meinem?! <<

>> Damit wir deine Mutter nicht nerven. <<

>> Die... arbeitet über Nacht.. <<

>> Egal! Ich will dein Zimmer sehen! <<
meinte Derdekia grinsend.

Leonora sah sie kurz unentschlossen an.
>> Meinetwegen. <<

Sie ging den Gang entlang und ging in ein anderes Zimmer.
Genika und Derdekia folgten ihr neugierig.


Das Zimmer war ein typisches Mädchenzimmer, wobei
es nicht so viele Plüschsachen hatte.

Námo sah sich, neugierig wie immer, um.

Genau so hätte er sich Leonoras Zimmer vorgestellt...
nun ja, wenn er es sich vorgestellt hätte.

Genika war überrascht, dass Leonora so viele Bücher besaß.

Sie hatte immer gedacht, dass die Zicken nicht viele Büche besaßen,
dafür aber gut das Doppelte an Magazinen.

>> Macht hier keinen Mist. <<
warnte Leonora und ging das Pokerspiel holen.

Angesichts der Bücher zuckte Námo nur kurz mit
den Schultern und ignorierte sie.
Irgendwo musste man ja Zugeständnisse machen,
damit die Sicht auf die Welt funktionierte.