Ilanai - die Heimat der Oni

Arisia begnügte sich damit, ihn zu beobachten.

Und glitt mit dem Blick über seinen Körper.


Seit wann ist er so groß und stark gebaut?
Jaja, Arisia, du hast es wiedermal geschafft, dich so in deinen
Zorn reinzusteigern, dass du garnicht siehst, über wen du dich so aufregst.


Ich meine.. wäre das Ganze mit dem Zwang nicht da. Und sein Zurückhalten
jeglicher intensiver Gefühlsregungen. Vielleicht würde ich mich
sogar in ihn verlieben können. Einfach so.

Sie seufzte.

Würde ich ihm dennoch Zärtlichkeit an den Tag legen?

...
Wahrscheinlich nicht. Ich würde ihn genauso dafür hassen, dass ich ihn mag.
Wie jetzt.

Chikage war äußerst zufrieden.

Sie mochte ihn also wirklich!

Arisia seufzte.

Es war so viel passiert, dass sie nicht mitkam darin, es zu verdauen.

Kein Wunder, dass sie so agressiv auf alles reagierte.
Sie war völlig überfordert.

Aber hier war es schön ruhig.

Es tat sogar gut, Chikages Hand zu halten.

Er gab ihr für diesen Moment ein Gefühl von Beständigkeit.

Chikage lauschte weiter.
Was er nicht so alles lernte!

Er musste also ruhig an Arisia herangehen
und Gefühle zeigen.

Ich frage mich, ob er wirklich schläft...
fragte Arisia sich und beobachtete sein Gesicht.


Gott, kann er schnell einschlafen.
Beneidenswert...

Nun erlaubte sich Chikage wirklich langsam, in den Schlaf zu driften.

Noch ein bisschen lauschen, dann kann ich schlafen,
dachte er bei sich.

Arisia amüsierte sich gerade in Gedanken.

Fast wie in dem Märchen der schlafenden Prinzessin.

Jetzt soll ich also der Prinz sein?


Sie stellte sich die Szene vor und lachte innerlich erfreut, als sie
Chikage in einem Prinzessinnenkleid sah und sich selbst als Prinz
mit diesen seltsamen Puscheln an den Ärmeln.

Mir ist wirklich langweilig... Was für ein Quatsch.

Chikage musste sich anstrengen, um keine Regung zu zeigen.

Was war denn das?
Jetzt würde er mit diesem Bild im Kopf einschlafen...

Arisia schüttelte den Kopf und löste ihre Hand so vorsichtig wie
möglich aus Chikages.


Ich werde hier nicht den lieben langen Tag rumsitzen.

Sie ging so leise wie möglich um das Bett herum.

Dann setzte sie sich darauf und schob sich bis an die Wand.

Dort lehnte sie sich mit einem leisen Seufzer gegen und schloss ebenfalls die Augen.

Mit diesem Arrangement war Chikage sehr zufrieden.

So schlief er langsam ein.

Bea atmete langsam, während sie seit Stunden den Boden
anstarrte, den ihre Füße nicht berührten.

Sie fragte sich, ob alles wert sei, dafür in einem Gefängnis zu hängen oder
sogar zu sterben.

Man konnte so viele andere sinnvolle Dinge tun, ohne dafür illegal zu werden.

Wie kamen Personen nur auf solch idiotische Lebenspläne?

Wie war sie darauf gekommen?

Die Wache, die Eztiere vor einiger Zeit abgelöst hatte,
stand plötzlich auf und salutierte in Richtung des Ausganges.

Eztiere kam in Beas Blickfeld. Er wirkte nicht sonderlich
begeistert, soweit man das seinem ausdruckslosen Gesicht
entnehmen konnte.

Bea sah nur kurz auf.

Sie hatte keine Kraft und Lust mehr, ihnen Aufmerksamkeit zuzuwenden.

Es war eben wieder eine Wachablösung.

Doch statt einfach die Wache abzulösen, schloss Eztiere ihre
Zelle auf und trat zu ihr.

"Deine Strafe wurde beschlossen", teilte er ihr mit einer völlig
emotionslosen Stimme mit, während er nach ihren Fesseln griff.

Bea sah ihn überrumpelt und verwundert an.

Sie hatten tatsächlich eine Strafe beschlossen?

Sofort lief es ihr bei dem Gedanken, was für eine Strafe das sein konnte,
kalt den Rücken runter.

>> Was ist meine Strafe? <<
fragte sie Eztiere atemlos und bemüht, die Unsicherheit zu verstecken.

Eztiere öffnete ihre Fesseln.

"Du stehst unter Hausarrest."

Noch immer ließ er sich nicht anmerken, was er dachte.

Bea fing sich etwas unbeholfen auf dem Boden auf und rieb sich
die Handgelenke.

Es.. was?

Sie war völlig verwirrt.

Hat er gerade Hausarrest gesagt?

Sie sah zu ihm auf.

>> Hausarrest?
Soll das heißen, ich werde irgendwo eingesperrt?
In meiner Wohnung? <<

"Nicht in deiner."

Während sie noch verwirrt war, schlangen sich seine
Finger um ihr Handgelenk und klappten eine Art
Armreif darüber zusammen.

Bea zuckte bei seiner Berührung zusammen.

Das Brennen an ihrem Handgelenk wurde dadurch schlimmer.

Als sie das Klappen vernahm, schwenkte ihr Blick zu dem Armreif.

>> Wofür ist der? <<

Sie ahnte es.

"Zur Überwachung. Unter anderem.
Komm mit."

Er ging voraus.

Bea folgte ihm stolpernd.

Ihre Beine hatten sich des Bodens entwöhnt.

>> Und wo werde ich diesen Hausarrest absetzen?

Wie lange soll das gehen? <<

Diese Strafe hatte sie nimmer erwartet!

"Unbestimmte Länge."

Zu ihrer ersten Frage schwieg Eztiere.

Bea sah verzweifelt zu Boden.

Unbestimmte Länge? Das heißt, sie können mich auch
lebenslang einsperren.

Aber wo?

Allmählich gewöhnten sich ihre Beine wieder an das Gehen.

Zitternd folgte sie ihm.
Panik und Fluchtgedanken schäumten in ihr hoch.

Eztiere führte sie aus dem Gefängnis.

Er wollte dies wirklich nicht tun.
Doch er konnte auch die Entscheidung des alten Adels
nicht ignorieren.

Bea folgte ihm mit einem skeptischen Stirnrunzeln.

Kurz sah sie zurück zu dem Gefängnis.

Sie hoffte, niewieder zurückkommen zu müssen.
Ihre Erleichterung darüber, es zu verlassen, war groß.


Aber wieso hatte dieser grimmige Wachmann ihr nicht auf die Frage
geantwortet, wo sie hingingen?

Würde er versuchen, sie hinter einer Ecke umzubringen und verschwinden zu lassen
oder war der Ort, an den er sie brachte, schlimmer als das Bisherige?

Sie musterte Eztiere von hinten.
Und hoffte auf einen anderen Ausgang.

Schließlich kamen sie vor einem Gebäude an, in dem scheinbar
mehrere Wohnungen lagen.

Eztiere schloss die Tür von einer Wohnung auf.

Bea sah sich aufmerksam um.


Hier würde sie also ihren Hausarrest verbringen?

Schrecklich sah es nicht aus.

Aber vielleicht verbarg sich dahinter ja das versteckte Grauen.

Sie bemühte sich, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen.

Es war eine recht sparsam eingerichtete, aufgeräumte Wohnung.

Doch man konnte durchaus sehen, dass hier jemand lebte.

Bea blieb irritiert in dem Türrahmen stehen.

Die Wohnung machte einen sympathischen Eindruck, aber..

Ich werde meinen Hausarrest mit jemandem verbringen müssen?

Sie sah zu Eztiere.

>> Wenn das die Wohnung ist, in der ich eingesperrt werde.
Wer ist dann die Person, die hier schon zu wohnen scheint?
Was wird aus ihr? <<
fragte sie ihn verwirrt.

Eztieres Maske ließ nun doch etwas von seiner mangelnden
Begeisterung durchscheinen.

"Ich werde auf dich aufpassen."