Ilanai - die Heimat der Oni

Eztiere blickte ausdruckslos zurück.

"Es betrifft dich nicht, also hat es dich nicht zu interessieren",
teilte er ihr mit.

Er hatte ihr schließlich nichts über sich selbst zu sagen, nur weil
ihr langweilig war.



"Du gewöhnst dich schon dran", meinte Chikage, die Ausgeburt
von Mitgefühl und Empathie.

>> Natürlich nicht.
So wie ich dich einschätze, bist du allgemein nicht so der
gesellige Typ.

Woran das wohl liegt?
Vielleicht ein gebrochenes Herz oder eine schreckliche Vergangenheit.

Oder einfach unerwiderte oder mangelnde Liebe. <<

Sie schwieg wieder und musterte ihn weiter.


Arisia blieb kurz stehen und wollte etwas erwidern, aber dann
klappte sie den Mund wieder zu.

Es war zwecklos, Chikage etwas von Mitgefühl zu vermitteln.
>> Habt ihr die Wachen jetzt verdoppelt? <<
fragte sie stattdessen schelmisch und ging weiter.

>> Du weißt, irgendwie schaffe ich es wieder raus. <<

Eztiere bedachte sie nicht mit einer Antwort.

Wieso sollte er aber auch versuchen, gesellig zu sein?
Davon kam nie etwas Gutes.


"Nein, aber wir haben jetzt andere Wachen", erklärte Chikage.
"Jüngere, die dir besser folgen können, und mit anderen
Fähigkeiten."

>> Ich hoffe für dich, dass du irgendwann jemanden triffst,
der dich ein bisschen aufrüttelt.

So bist du nämlich nicht zu ertragen! <<
meinte sie seufzend.


Arisia seufzte.

>> Was für Fähigkeiten?
Und... hast du nicht etwas anderes zu tun als mir ständig
zu folgen? <<

Eztiere schwieg auch weiterhin.

Für Gefangene musste er nicht zu ertragen sein.



"Nein - ich bin eine der Wachen", meinte Chikage.

Bea musterte ihn weiterhin,
schwieg dann aber.

Es machte keinen Sinn, mit ihm zu reden.

Es war zwecklos.


Arisia sah ihn einen Moment ungläubig an.

>> Du?! <<

Dann drehte sie sich wieder um und stampfte weiter.

>> Das war ja klar!!
Sie müssen mich ja mit dir einsperren hier!
Was anderes wollen die doch garnicht. <<

Eztiere war merkwürdig enttäuscht, dass sie so schnell aufgab.

Aber was hatte er auch anderes erwartet? So geschah es immer.
Leute versuchten, mit ihm zu sprechen, weil sie sich davon einen
Vorteil versprachen, und wenn sie es nicht bekamen, hielten sie
sich von ihm fern als hätte er eine ansteckende Krankheit.



"Woher weißt du das?", fragte Chikage überrascht und eilte hinter
ihr her.

Bea hing wieder ab und baumelte an ihren Ketten, während sie
ihn weiterhin beobachtete.

Reden schien noch anstrengender zu sein.



>> Wie, woher ich das weiß? <<
fragte sie zurück.

>> Na, was wäre denn passender, als den Ehemann als
persönlichen Wächter einzuschalten?
Wo er doch am besten sowieso so nah wie möglich und ständig
bei mir sein soll. <<

Bei dem Wort Ehemann zuckte sie unwillkürlich zusammen.
Es klang so.. unangenehm!

Eztiere blieb jedoch weiterhin auf seinem Beobachtungsposten.



"Das stimmt", bestätigte Chikage.

"Willst du dich nicht ins Schlafzimmer zurückziehen?"

Bea seufzte.

Sie hoffte wirklich, dass dieser Prozess bald kommen würde.

Hier zu hängen mit einer solchen Gesellschaft war wirklich eine Qual.


Arisia blieb abrupt stehen.

>> Nein! <<

Dann ging sie umso schneller weiter.

>> Ich werde bestimmt nicht.. nein!
So viel Mis hab ich gebaut, weißt du das?
Natürlich weißt du das. Sie wissen es doch alle.

Hach, wie konnte ich mich nur so gehen lassen.
Er hätte tot sein können.

Und jetzt sitzt auch noch eine unschuldige Person wegen mir in diesem
Kerker fest. <<
redete sie unruhig drauf los und bog in einen weiteren Gang ein.

"Wenn du diese Fremde meinst", merkte Chikage an,
"dann war sie eindeutig nicht unschuldig.
Und bevor du so lange herumläufst, dass du das Bewusstsein
verlierst, gehst du doch ins Schlafzimmer und ruhst dich aus."

Arisia seufzte.

>> Warum muss es ausgerechnet das Schlafzimmer sein?!

Ich kann mich auch auf ein Sofa setzen oder einen Stuhl oder nach draußen. <<


Sie wollte nicht in das Schlafzimmer. Und noch weniger mit Chikage.

Das, was letzte Nacht passiert war, war völlig außerhalb ihrer Kontrolle gewesen
und hatte ihr zudem noch gegen ihren Willen gefallen.

Sie hasste es, nicht die Kontrolle zu haben und sie hasste es, mit diesem
unsympathischem Ehemann von Chikage auch nur eine Berührung zu teilen
und schon garnicht das von letzter Nacht!

Also hatte sich das geklärt!

Chikage legte ihr einen Arm um die Schulter und führte sie
vorsichtig in eine Richtung.

"Dann eben das Sofa", erklärte er und begann, sie
dorthinzugeleiten.

Arisia spannte sich zwar etwas an, ließ sich dann aber schließlich
zum Sofa führen.


Die schweren Gewissensbisse und ihre innere Verzweiflung hatten
sie zu sehr erschöpft.

Chikage setzte sich neben sie und behielt sie im Auge.

Arisia ließ sich gegen das Sofa sinken und atmete langsam aus.


Allmählich schaffte sie es, sich wieder unter Kontrolle zu bringen und konnte
ihr unberührtes Gesicht wieder aufsetzen.

Sie verschränkte die Arme und schloss die Augen.

>> Gefällt dir dieses Leben, Chikage?
Das, was die Ältesten für dich vorbestimmt und programmiert haben? <<

Chikage sah sie verwirrt an.

"Ja, natürlich gefällt es mir", erklärte er.
"Es ist immerhin mein Leben."

Arisia öffnete die Augen.


>> Aber merkst du denn nicht, dass du eingesperrt bist?
Ist das alls, was du vom Leben willst?
Mit mir hier eingesperrt zu sein und sich fortpflanzen zu müssen?
Du bist doch wie ein Zuchthengst! Wo bitte ist da die Freiheit, dein
Leben selbst zu formen? <<

Sie verstand diesen Kerl nicht! Wie konnte man sich nur mit sowas zufrieden geben?

Er wirkte auch nicht wie die Art von Männern, die wirklich versaut waren und denen das
ganz passend war. Selbst wenn: Es würde doch irgendwann langweilig sein, ständig mit
derselben Frau schlafen zu müssen und dann noch aus Zwang heraus.

Das alles hier passte Arisia garnicht in ihre Welt und ihr Verständnis.

Chikage verstand sie auch weiterhin nicht.

"Ich bin nicht eingesperrt", erklärte er ihr langsam
und deutlich sprechend, "ich kann gehen, wann und
wohin ich will. Ich werde zu nichts gezwungen."

Arisia sah ihn schweigend an.

>> Wirklich?
Du hast also keinerlei Probleme damit, mit mir verheiratet zu sein,
obwohl ich dir fremd bin und wir uns nicht leiden können? <<

Sowas konnte sie sich nicht vorstellen!

Chikage lächelte.

"Ich kann dich durchaus leiden", meinte er.
"Und ich glaube, du magst mich lieber, als du
zugeben würdest."

Arisia blieben die Worte im Hals stecken.

Sie hüstelte kurz etwas und sah an die entgegengelegene Wand.

>> Das ist eine Anmaßung. Das kannst du nicht wissen.
Außerdem.. bin ich nicht so begeistert von der ganzen Ehesache. <<

"Doch, ich kann es wissen, wenn du oft genug darüber nachdenkst",
argumentierte Chikage dagegen und lächelte breiter.

"Und du gewöhnst dich noch daran, keine Sorge."

Arisia schnappte nach Luft.

>> Das.... hör auf in meinen Gedanken zu lesen!! <<
fuhr sie ihn an und wurde rot im Gesicht.

Sie mochte sein Grinsen, aber das hörte er bestimmt auch.

Also dachte sie wieder daran, wie unerhört seine Lauschangriffe waren.

Er grinste breiter.

"Ja, das habe ich gehört",
bestätigte er.

Arisia schnaubte nur und starrte die Wand an.

Ich finde es gemein, dass du meine Gedanken liest,
Chikage!


Ich könnte mir Dinge vorstellen, die dir nicht gefallen!

Oder dich quälen. Hmm..

Sie sah eines der Bilder an und stellte sich ein Rad vor, dass sich unaufhörlich
drehte und drehte und drehte und drehte.

Chikage runzelte die Stirn.
Obwohl er ihre Gedanken lesen konnte, verstand er
Arisia einfach nicht.

"Was an einem Rad soll so unglaublich schrecklich
sein, dass ich aufhöre, deine Gedanken zu lesen?"

>> Es soll langweilig sein, mein Lieber. <<
meinte Arisia und lehnte sich zurück in das Sofa.


>> Ich mag es Räder zu beobachten. Es beruhigt mich. <<

Chikage betrachtete das Bild in ihrem Kopf noch einen Moment,
dann begann es, sich zu verändern.

Es war noch immer ein Rad, doch das Rad war an einer Kutsche.
In dieser Kutsche saßen Chikage, Arisia und viele kleine Kinder.

Arisia blickte überrascht drein.

Dann musste sie lachen.

>> Guter Zug, Chikage! <<

Der Kutschen-Chikage bekam einen Bierbauch.