Ilanai - die Heimat der Oni

Im Hintergrund tauchten Chikage und Arisia auf, älter, als sie
es nun waren.

Chikage hatte seinen Arm um Arisias Schultern gelegt.
Arisia trug ein atemberaubendes Kleid.

Arisia schwieg kurz.

>> Ich wusste garnicht, dass du modischen Geschmack hast. <<
war ihr einziger Kommentar dazu.

Chikage blickte sie von der Seite her an.

"Es gibt einiges, was du nicht über mich weißt",
stellte er fest.
"Aber du gibst dir ja auch nicht sonderlich große
Mühe, es herauszufinden."

Arisia seufzte.

>> Ich hatte auch nicht sonderlich viel Zeit.

Es ist ungerecht, mir das vorzuwerfen, da
ich hier gerade zu einer Ehe und zum lebenslangen Geschlechtsverkehr
mit dir gezwungen wurde.

Vielleicht käme dir da ja in den Sinn, dass ich leicht überfordert bin und
mich nicht gerade darum kümmern konnte, dich kennenzulernen. <<
knurrte sie agressiv.

Doch dann atmete sie tief ein und versuchte, sich zu beruhigen.

>> Na gut.
Erzähl mir etwas von dir. <<
meinte sie schließlich.

Das war besser als mit Chikage schlafen zu müssen.

Und vielleicht könnte Arisia ihn dann sogar besser verstehen und einschätzen können.

Erzähl mir was über dich...

Chikage musste sagen, seine Frau verlangte wirklich nicht viel.
Aber was sie verlangte...
Was sollte er über sich erzählen?

"Ich mag es, durch die Stadt zu laufen und zu sehen, was dort
alles vor sich geht. Abgesehen von dir bin ich das jüngste Mitglied
des Alten Adels der Oni - mit Abstand, wie ich gerne hinzufügen
würde. Und ich hätte gerne Kinder."

Arisia hörte ihm stirnrunzelnd zu.

>> Was hälst du von den Menschen, nein,
von den Onis, die du beobachtest? <<
fragte sie ihn.

Chikage zuckte mit den Schultern.

"Manche sind fleißig, manche sind faul, manche sind intelligent,
manche sind dumm..."

>> Siehst du da große Unterschiede zwischen den Neuadligen,
den Adligen und den Normalen? <<
fragte Arisia ihn weiter aus.

Wenn sie schon hier eingesperrt war, wollte sie wengistens wissen,
in was für einer Gesellschaft sie genau war.

Der erste Eindruck war nicht gerade positiv.

"Natürlich", wunderte sich Chikage. "Das sind ja beinahe
eigene Arten von Wesen, so viele Unterschiede gibt es da!"

Wie kam sie denn auf so etwas?

>> Klär mich auf, großer Lehrmaster. <<
meinte sie grinsend.

"Gerne doch."

Schließlich durfte Chikage Arisia nicht so ignorant lassen, wie sie es nun war!

"Alle drei Klassen stehen auf ungefähr einer Kraftstufe. Um es mal
mit Feuer zu vergleichen: Das Bürgertum kann vielleicht, mit viel
Talent und Konzentration, ein Streichholz anzünden. Der neue Adel
schafft normalerweise ein Lagerfeuer, mit viel Glück und den richtigen
Windverhältnissen einen brennenden Baum.
Der alte Adel schafft einen Waldbrand, ohne darüber nachzudenken."

Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie das einmal der Fall gewesen war.

"Der neue Adel ist überhaupt erst durch die Verbindung von altem Adel und
Bürgertum entstanden, und wenn sich der neue Adel nun mit einer der anderen
zwei Gruppen fortpflanzt, entsteht ausnahmslos ein Kind mit der Kraftstufe
der niedrigeren Klasse. Auch die Fruchtbarkeit nimmt nach oben hin immer
weiter ab.

Beantwortet das deine Fragen erst einmal?"

Arisia überlegte.

>> Ja, schon.

Und es kam also so, dass sie die ganzen weiblichen Kinder der
alten Adligen umgebracht haben? <<
ging sie dann auf das sensible Thema ein.


>> Außer mir... gibt es wirklich keine Überlebende? <<

Das war ein schrecklich deprimierender Gedanke.

All diese unschuldigen Mädchen...

Grimmig nickte Chikage.

"Und es ist ein Wunder, dass du überlebt hast",
fügte er hinzu.
"Jetzt bist du die einzige weibliche Oni des alten
Adels in einem fortpflanzungsfähigen Alter."

>> Ja, dieser Ausgangssituation bin ich mir bewusst. <<
seufzte Arisia.


Es drückte ihr schwer in der Brust.

"So klingst du eigentlich nicht",
observierte Chikage.

>> Wonach klinge ich denn? <<
hakte Arisia nach.

"Nach einem sturen kleinen Mädchen, dass sich
nicht mit seiner Situation abfinden und damit
seine Art retten will", gab Chikage zurück.

Arisia schnaubte.

>> Du machst es dir viel zu einfach!

Hier geht es um zwei Grundrechte, die gegeneinander konkurrieren! <<
meinte sie trotzig.


>> Mir Vorwürfe zu machen, während ich überfordert bin, macht es auch nicht besser. <<
knurrte sie und starrte dann wieder die Wand an.

"Du hast gefragt",
war Chikages einzige Antwort darauf.

Arisia verschränkte die Arme und ließ sich noch tiefer in das Sofa sinken.

Sie konnte mit ihm einfach keine normalen Gespräche beginnen.


Das ist doch aussichtslos. Wir sind nicht auf derselben Linie und seine
Antworten machen mich so agressiv, dass ich ihm am liebsten den
Hals brechen würde!!


Wuah, seine ganze Art regt mich auf!
Am besten wird es wohl sein, wenn ich ihn einfach anschweige.
Es bringt doch alles nichts.

Aufgrund dieser Absurdität musste Chikage grinsen.

Wenn du mich anschweigen willst, solltest du weniger
laut denken, erinnerte er sie in ihren Gedanken.

Das geht nicht, weil ich nunmal NICHT denken kann!!
Also halt dich aus meinen Gedanken raus!

fuhr sie ihn in Gedanken an und gab ihm auch einen dementsprechend
angenervten Blick.

Jetzt soll ich mich aus deinen Gedanken heraushalten,
wenn du mich direkt ansprichst?

Chikage sah sie verwundert an.

Arisia packte in ihren Gedanken einen riesigen Hammer aus dem Nichts und schlug
Chikage damit weit über den Horizont.

Ansage genug. Halt dich raus!

Chikage flog mit ausgebreiteten Armen durch die
Luft in ihren Gedanken.

Fliegen ist wirklich schön - du solltest es mal
ausprobieren!, schlug er stattdessen vor.

Gedanken-Arisia schnaubte nur und ging in den nächstgelegenen Wald.

Nerv mich nicht!

Im Wald sammelten sich Eichhörnchen,
Igel und Vögel um sie und lächelten sie an.

Arisia sah die Tiere verwirrt an.

Diese Freundlichkeit war fast schon gruselig.


Sie ging besser weiter.

Die Tiere folgten ihr unterwürfig.

Immer mehr sammelten sich zusammen, während Chikage über
dem Wald umherflog.

Arisia seufzte selbst im Gedanken.


Was soll denn das?! Bin ich irgendeine Tierköniging, oder was?!